Die Verbindung: Thriller (German Edition)
durchforstete die fernsten Regionen seines Gedächtnisses. »Ich glaube, ich erinnere mich an die Bilder. Für mich sah es ganz nach einem normalen Männerabend für Seine Hoheit aus.«
»Es gab eine Untersuchung, aber es konnte nichts bewiesen werden. Der betroffene Prinz wollte, dass Carlyle von der Polizei rausgeschmissen würde, aber man kam überein, dass das einen zu großen Aufstand provozieren könnte, besonders wenn sich der Polizeiverband einschalten würde.«
»Ah ja«, Carlton nickte, »die unerträglichste Gewerkschaft der Welt.« Er würde bestimmt dafür sorgen, dass seine eigene Regierung nichts täte, um sie zu verärgern. Am besten weckte man keine schlafenden Polizeihunde …
»Schließlich wurde Carlyle einfach seiner Pflichten zum Schutz der königlichen Familie entbunden und wieder am Taxistand platziert, wo er darauf warten konnte, was noch für ihn vorbeikam.«
»Dann ist er also eine Art Republikaner?« Carlton schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie kann so ein Mann überhaupt Polizist werden?«
»Das ist nicht völlig klar«, antwortete Murray. »Allgemein hält man ihn für etwas zu liberal für die Polizei, oder vielleicht nur ein bisschen zu … intellektuell.«
»Sie meinen also, er denkt zu viel.« Carlton runzelte die Stirn. »Großartig, genau das, was wir brauchen. Wie um Himmels willen sind wir an so jemanden geraten?«
Murray zuckte mit den Achseln. »Man hat immer einen oder zwei in einer Organisation, die so groß ist wie die Polizei.«
Edgar machte einen Schmollmund und schaute auf seine Uhr. Es wurde wirklich Zeit, dass er sich auf den Weg ins Unterhaus machte. »Wissen wir sonst noch irgendwas über diesen Inspector Carlyle, abgesehen von der Tatsache, dass er vollkommen unzuverlässig ist? Wie sieht seine familiäre Situation aus?« Er sah Murray streng an. »Jetzt erzählen Sie mir wahrscheinlich, dass er in einer Hippiekommune mit einem schwulen Lebensgefährten namens Gerald lebt, der eine Genossenschaft von Korbflechtern leitet.«
Murray verzog das Gesicht. »Nein, er hat eine Frau und eine Tochter.«
»Erste Ehe?«
»Ja. Die Frau arbeitet für eine liberale Wohltätigkeitsorganisation namens Avalon. Sie schickt Ärzte in die Dritte Welt, bettelt um Geld, stöhnt über den ›Imperialismus‹, die Art Einrichtung.«
»Und das Kind?«
»Sie geht auf die City School for Girls im Barbican.«
»Gute Schule«, sagte Carlton beeindruckt. Er hatte selbst vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen, und sie gingen alle auferstklassige Schulen in London. Auf Public Schools wie die City. »Public« wie in »privat«. Es schien eine typisch englische Weise des Umgangs mit Sprache zu sein: die Wirklichkeit hinter den Wörtern zu verstecken.
»Teuer«, bemerkte Murray.
»Ganz bestimmt.« Carlton schüttelte sich. Die Gebühren für seinen Nachwuchs hatten ihn schon vor Beginn dieser verdammten Kreditkrise umgebracht. Gott mochte wissen, wie Mr Copper das hinkriegte, auch wenn er sich nur um das eine Kind kümmern musste. »Wir haben vor ein paar Jahren auch daran gedacht, unsere Töchter auf die City zu schicken«, sinnierte er, »und die Kosten waren damals schon ziemlich beeindruckend. Wahrscheinlich hat sie ein Stipendium.«
Murray schüttelte den Kopf. »Nein, sie bezahlen den vollen Beitrag, zumindest im Moment. Die Schule vergibt offenbar keine Stipendien an Kinder unter elf Jahren. Ich bin sicher, dass sie eins zu bekommen versuchen, wenn das Kind älter ist, aber sie werden noch eine Zeit lang berappen müssen.«
»Das muss das Familienbudget deutlich schmälern, und das erklärt, warum er nicht sonderlich daran interessiert ist, in den Ruhestand zu gehen. Die Pension eines Polizisten ist nicht annähernd genug für unseren Inspector, nicht wenn die junge …«
»Alice.«
»Nicht wenn die junge Alice als potenzielle Stipendiatin nicht den Erwartungen entspricht. Stellen Sie sich vor, sie müsste aus der City School for Girls rausgenommen und in eine lokale staatliche Schule gesteckt werden. Was für ein Albtraum! Ich bin sicher, Mrs Carlyle würde ihm das nie verzeihen.« Er machte eine Pause und dachte nicht zum ersten Mal darüber nach, dass häusliche Harmonie viel schwieriger zu erreichen war als ein hohes politisches Amt. »Aber es ist auf jeden Fall gut für sie, dass sie sich nicht für die leichte Alternative entschieden haben. Dass sie die Ziele für ihre Tochter hoch gesteckt haben. Dass sie Anhänger der privaten Erziehung sind. Vielleicht können
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