Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
glitt. Dann verlosch das Licht völlig. Pesakk hatte sich durch die Öffnung in der gemauerten Decke der Grabanlage gezwängt.
Feiner Staub wirbelte auf, als Pesakk auf dem Fußboden der unterirdischen Gruft aufkam. Er schirmte die Lampe ab und blickte nach oben, wo ein dunkelgrauer Fleck das Loch in der Decke verriet. Dann hielt er die Laterne in die Höhe. Der Raum war klein, kaum viermal so groß wie der Sarg aus gebranntem Ton, der an der hinteren Wand stand. Dem Sarg gegenüber befand sich eine Türöffnung, und er schlich darauf zu. Die Stille war so überwältigend, dass Pesakk unwillkürlich flacher atmete, um die Toten nicht zu wecken. Der zweite Raum war wesentlich größer als der erste und hatte eine hohe, gewölbte Decke. Im Zentrum des Raums standen zwei große Steinsarkophage. Ohne Erfolg versuchte Pesakk, den Deckel des einen anzuheben. Dann durchsuchte er systematisch die um die Sarkophage herum angeordneten Grabbeigaben. Schnell fand er zwischen all den wertlosen Ton- und Holzfiguren einige Lackschachteln voller Schmuck. Aus Neugierde berührte er einen prächtig bemalten seidenen Schal, der über dem linken Sarkophag lag, aber das Gewebe war so morsch, dass es vor seinen Augen zu Staub zerfiel.
Nachdem er seine Suche beendet hatte, lehnte er sich ratlos gegen eine Wand. Sieben Nebenräume gruppierten sich um den zentralen Saal. Pesakk wusste aus Erfahrung, dass Gräber dieser Größe normalerweise vor Reichtümern überflossen, aber alles, was sich mitzunehmen lohnte, waren eine Handvoll goldene Schmuckstücke, drei Bronzespiegel und ein schlichter Bronzekessel. War schon jemand vor ihm hier unten gewesen? Es war möglich, die Gruft war alt, sehr alt.
Er drehte eine weitere Runde durch die Räume. Ganz zum Schluss blieb er vor der letzten Kammer stehen. Die Decke war eingestürzt, und das nachrutschende Erdreich hatte den Raum beinahe ausgefüllt. Lediglich ein schmaler Spalt war freigeblieben. Pesakk hielt seine Laterne hinein. Am anderen Ende konnte er die behauene Steinwand des Sarkophags erkennen, durch die ein breiter Riss lief. Ohne Zögern klemmte er sich die Laterne zwischen die Zähne und zwängte sich durch den Spalt auf den Sarkophag zu. Er sah mehrere Jadescheiben und mumifizierte Hände, die ein kleines Kästchen umklammert hielten. Er griff in den Sarg und entwand der Leiche das Kästchen, ohne sich darum zu scheren, dass dabei drei Finger abbrachen. Der Mann war tot und würde es auch bleiben.
Boboni saß mit untergekreuzten Beinen neben dem Schacht.
»Ist das alles?«, fragte er und zeigte auf den Bronzekessel vor ihm, als Pesakk sich über den Rand zog.
»Leider ja«, antwortete Pesakk. »Warum hast du mir nicht mit dem Seil geholfen?«
»Du bist doch ein Affe«, sagte Boboni gehässig. Dann änderte er seinen Ton abrupt. »Wo sind die anderen Sachen?«, brüllte er.
»Es gibt nur noch Jadescheiben und ein Kästchen. Fang!«, sagte Pesakk und warf ihm die Scheiben zu. Dann öffnete er das Kästchen. Zu seiner Enttäuschung lagen darin nur Bambusstäbe und ein zerbrochenes Jadepferd. Er nahm es heraus. Den Körper der Figur zierten goldene chinesische Schriftzeichen, die er nicht lesen konnte. Der Mond war wieder hervorgekommen und ließ die dunkelgrüne Jade der Figur geheimnisvoll schimmern; fast schien es Pesakk, als käme das Licht aus den Tiefen des Steins.
»Gib das her!« Pesakk zuckte zusammen, als er Bobonis Stimme dicht neben sich hörte. Boboni beugte sich über ihn und starrte mit einem irren Flackern in den Augen auf das halbe Pferd.
»Nein!«, rief Pesakk und hielt die Figur hinter seinen Rücken. Sofort stürzte Boboni sich auf ihn. Pesakk schrie nach Hedan und dem Anführer.
»Sie hören dich nicht«, flüsterte Boboni. Pesakk stockte das Herz. Mit aller Kraft wand er sich aus der Umklammerung des stärkeren Boboni und trat wild auf ihn ein.
»Wo sind sie?«, keuchte er.
»Dort, wo du auch bald sein wirst«, sagte Boboni und sprang auf die Füße. Pesakk hatte damit gerechnet und trat seinem Gegner mit aller Macht zwischen die Beine. Boboni klappte vornüber und erbrach sich. Pesakk nutzte seine Chance. Er rannte auf Boboni zu und stieß ihn in den Schacht. Nach einigen Momenten der Stille drang schmerzerfülltes Winseln aus der Tiefe zu Pesakk, der schwer atmend neben dem Loch kauerte.
Sobald sich Pesakk wieder beruhigt hatte, raffte er die Schmuckkästchen, Figuren und Spiegel aus dem Bronzekessel und stopfte sie in einen Sack. Die Leichen seiner
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