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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Karawanenleute.

Hamburg
    November/Dezember 2004
    M it einem Ruck kam der ICE aus Frankfurt zum Stehen. Marion wollte gerade einen Mann im Anzug beiseitedrängeln, als Thomas sie zurückhielt.
    »Nur die Ruhe«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Wir sind nicht mehr in China. Hier geht es ordentlich und gesittet zu und immer schön der Reihe nach.«
    »Wie langweilig«, sagte Marion und dachte an Li Yandao, der nach ihrer Kritik seines Fahrstils mit exakt denselben Worten geantwortet hatte. Asiens Chaos war ihr ins Blut übergegangen.
    Die Tür öffnete sich mit einem leisen Zischen, und die feuchtkalte Luft eines Hamburger Wintertages schlug ihnen entgegen.

    Der Bahnsteig leerte sich. Thomas setzte sich auf seinen Rucksack und sah sich um. Auf dem Nachbargleis fuhr ein Regionalzug ein. Menschen mit mürrischen, blassen Gesichtern stiegen die Stufen zu den geheizten Wagen hinauf, froh, dem zugigen Bahnhof zu entkommen. Eine Frau, nur wenig jünger als Marion, trat aus dem Kiosk neben ihnen und musterte verächtlich Thomas’ Rucksack, seine Sonnenbräune und die bunte Hose. Im fahlen Licht der Bahnhofshalle sah ihre Haut grünlich aus. Sie schob die Hände tief in ihre Manteltaschen und wandte sich brüsk ab.
    Der Grund für die ablehnende Haltung der Frau war leicht zu erraten: Wieso können sich diese Hippies einen Urlaub in der Sonne leisten und ich nicht?
    »Es hat sich nichts verändert«, sagte Thomas und sah der Frau nach.
    »Was hast du erwartet? Die meisten Leute haben wahrscheinlich nicht einmal gemerkt, dass schon wieder ein Jahr vorbeigeflogen ist.«
    »Hamburg, das Tor zur Welt? Pah. Es wirkt so farb- und freudlos.«
    »Sieh es nicht zu negativ. Hamburg ist nicht schlecht, und hier leben unsere Freunde.«
    Er stand auf und schwang sich den Rucksack über die Schulter.
    »Lass uns gehen. Ich werde noch eine Weile brauchen, bis ich kapiert habe, dass wir wieder in Good Old Boring Germany sind. Das spannende Leben ist vorbei.«
    »Das Leben kann auch hier spannend sein.«
    Er lächelte gequält. »Gib mir ein paar Tage. Ich bin fürchterlich deprimiert. Komm, wir fahren zu Susanne.«
    An der Station Emilienstraße verließen sie die U-Bahn. Obwohl es erst halb fünf war, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Die Kälte in China hatte Marion und Thomas auf den Winter in Hamburg vorbereitet, aber das graue Zwielicht und der kalte Nieselregen senkten sich schwer auf ihre Stimmung. Marion dachte an den weiten blauen Himmel über der Wüste, während sich Thomas an Thailands Strände zurücksehnte. Bedrückt trotteten sie über die unbelebten Bürgersteige zur Eimsbütteler Straße, bis sie vor einem Mietshaus aus der Jugendstilzeit stehen blieben.
    »Die Bäckerei von Karl-Heinz ist nicht mehr da«, stellte Marion fest.
    »Also hat sich doch etwas verändert«, sagte Thomas sarkastisch. »Nur sind es leider die guten Sachen, die sich zum Schlechteren ändern. Die Brötchen von Karl-Heinz waren die besten im ganzen Viertel.«
    »Mein Gott, du bist ja schlimmer als die Miesepeter in der U-Bahn! Freust du dich denn nicht auf Susanne?«, fragte Marion gereizt und drückte auf eine Klingel.
    Susanne kam die Treppe heruntergesprungen. Ihre langen, dunkelblonden Haare flogen wild um ihr feines Gesicht herum. Sie war nur einen Meter sechzig groß, aber sie hatte Energie für zwei.
    »Ich habe die Minuten gezählt! In der Redaktion haben sie es nicht mehr mit mir ausgehalten und mich nach Hause geschickt. Endlich seid ihr da!«
    Als Thomas in die warme Wohnung trat, stieß er einen wohligen Seufzer aus. »Zentralheizung!«
    »Wollt ihr zuerst essen oder baden?«
    »Wir essen, und Bruder Tuck badet. Es sei denn, Thomas will mit ihm in die Wanne.«
    »Mit diesem blutrünstigen Untier? Niemals«, sagte Thomas. Susannes gute Laune und ihr herzlicher Empfang hellten seine Stimmung auf.
    »Wessen Bruder ist das denn? Ich habe nur zwei Betten aufgebaut«, sagte Susanne irritiert.

    »Kerzen, eine Tischdecke, Käse, Schwarzbrot, Gewürzgurken, Räucherlachs. Das ist das Paradies«, sagte Marion, als sie sich an den Küchentisch setzte.
    »Der ist neu«, stellte sie fest und wippte in dem futuristisch anmutenden Plastiksessel hin und her.
    »Stimmt«, sagte Susanne, »die Farbe gefiel mir. Sie passt zu den anderen Stühlen.«
    Marion sah sich um. Die Farbe passte tatsächlich zu dem zusammengewürfelten Mobiliar, dass Susanne von diversen Dachböden und Flohmärkten zusammengetragen und in ihrer Lieblingsfarbe Maigrün gestrichen

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