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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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zurück«, sagte Marion, und in diesem Moment war es ihr absolut ernst. Die erzwungene Trennung von ihrem Fund hatte sie die ganze Angelegenheit klarer sehen lassen, es war, als hätte der räumliche Abstand ihr wieder die Freiheit über ihr Denken und Handeln gegeben. Die Figur musste weg, damit sie und auch Thomas und Susanne endlich wieder ein normales Leben führen konnten. »Ich habe mich viel zu lange dagegen gesträubt. Wann kann ich die Sachen abholen?«
    Professor Kirschner räusperte sich.
    »Nächste Woche. Es ging viel schneller, als ich anfangs vermutete – außerdem habe ich eine Menge Fotos gemacht. Sie genügen für meine weitere Arbeit.« Er machte eine Pause. »Ich wollte Sie nicht verärgern. Selbstverständlich haben Sie recht.«
    Aus der Küche quoll Rauch. Marion verabschiedete sich von dem Sinologen und eilte zum Herd, um zu retten, was zu retten war. In diesem Augenblick betrat Susanne die Wohnung. Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und zog die Stiefel von ihren Füßen.
    »Du hast doch gekocht? Was denn?«
    Marion schmiss genervt den Kochlöffel in die Spüle.
    »Verbrannten Kohl, angekokelten Pinkel und verkochte Kartoffeln.«
    »Wie bitte?«, fragte Susanne ärgerlich. »Du solltest doch nicht alleine einkaufen gehen.«
    Marion winkte ab. »Es ist ja nichts passiert. Ich sage dir, Nikolai ist längst zurück in Russland oder China oder wo auch immer. Aber was hältst du davon?« Sie setzte sich neben Susanne und berichtete ihr von dem Telefonat.
    Susanne schüttelte den Kopf. »Merkwürdig. Irgendetwas stimmt mit dieser mysteriösen Figur ganz und gar nicht. Aber ich bin auf die Übersetzung gespannt. Bis dahin können wir uns die Zeit hiermit vertreiben. Ich war in der Mittagspause im Buchladen«, sagte sie und legte einen schweren Bildband auf den Tisch. Ein Foto des Himmlischen Pferdes zierte den Umschlag.
    »Ich dachte, wir sollten uns im Vorfeld bilden, um nicht ganz so dumm dazustehen, wenn der Herr Professor uns seine Theorien auseinandersetzt.«
    »Gute Idee. Und jetzt zieh deine Schuhe wieder an. Wir sagen deinem Nachbarn Bescheid und gehen zum Inder.«

Der Blumengarten der Freude
    Juni 643 n.Chr.
    T amaskana?« Die schneidende Stimme drang über den Hof und durch den Flur bis in die vollgestellte Kammer.
    »Ich bin gleich fertig, Stiefmutter!«, rief Tamaskana zurück.
    »Beeil dich. Der Gemüsehändler ist hier und hat nach dir gefragt«, keifte die Frau im Hof, dann drehte sie sich um und ging in den Seitenflügel des heruntergekommenen, einstöckigen Anwesens. Die den Hof von allen Seiten umgebenden Nebengebäude waren aus Lehm gebaut und reparaturbedürftig, aber dafür fehlte das Geld. Der »Blumengarten der Freude« war das freudloseste Haus in der ohnehin düsteren, abweisenden Gasse entlang der Südmauer Khotans.
    »Ich hasse den Gemüsehändler mit seinem widerlich stinkenden Atem«, murmelte Tamaskana zu sich selbst und starrte auf den fleckigen Tuchbeutel, der in einer geöffneten Kiste vor ihr lag, ganz oben auf einem Stapel vergilbter Baumwoll- und Seidenballen. Tamaskana konnte weder lesen noch schreiben, aber den Namen ihrer Mutter, dessen verblichene Tuschezeichen auf dem Beutel prangten, erkannte sie: Sanduschta. Tamaskana zuckte zusammen, als die Stimme der Stiefmutter erneut über den Hof schallte.
    »Ich komme!« Sie stopfte den Beutel unter ihr Gewand, schlug den Deckel der Truhe zu und rannte durch das Zimmer der Stiefmutter auf den Hof. Die alte Frau empfing sie mit einer schallenden Ohrfeige.
    »Geh sofort in deine Kammer, der Mann wartet nicht mehr lange. Wo ist die Schatulle?«
    Tamaskana reichte der Frau unterwürfig eine runde Lackdose. Ihre Wange brannte. »Sie stand in der Kammer, wie Ihr sagtet.«
    »Warum hast du so lange gebraucht? Hast du etwas gestohlen?«, fragte die alte Frau misstrauisch.
    »Natürlich nicht«, antwortete Tamaskana und hoffte inständig, dass die verhasste Stiefmutter die Ausbuchtung unter ihrem Gewand nicht bemerkte.
    Die Alte versetzte ihr einen Tritt. »Verschwinde jetzt. Du bist genauso faul wie Sanduschta.«
    Ohne eine Antwort wirbelte Tamaskana herum und hastete in den Seitentrakt, in dem ihre Kammer lag. Vor der Zimmertür blieb sie kurz stehen und kontrollierte den Sitz ihrer nach chinesischer Mode aufgesteckten Frisur. Es hatte sie viel Mühe gekostet, ihre Locken glattzubürsten und den Dutt, der keck über die Mitte ihrer Stirn fiel, mit Hilfe unzähliger Haarnadeln zu formen. Tamaskana hätte ihre Haare

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