Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
sie zu einem abgelegenen Ort gebracht, um sie zu vergewaltigen? Sie fing an zu weinen.
»Was wollen Sie von mir? Wer sind Sie?«, wisperte sie unter Schluchzen.
Der Mann in der Fahrerkabine blieb stumm. Sie hörte ihn herumwühlen, dann klappte die Fahrertür. Seine Schritte raschelten durch welkes Laub. Sie waren im Wald. Kurz darauf ging die hintere Tür auf, und Susanne konnte die Silhouette eines schlanken Mannes erkennen. Er kletterte in den Laderaum des Lieferwagens und zog die Tür hinter sich zu. Susanne presste sich angsterfüllt gegen die eiskalte Wagenwand. Sie konnte seinen Körper dicht neben sich spüren.
»Wollen Sie einen Becher Kaffee? Er ist nicht mehr heiß, aber er sollte Ihre Lebensgeister wecken«, sagte der unsichtbare Mann auf Englisch.
Ohne eine Antwort abzuwarten, stützte er mit einer Hand Susannes Hinterkopf und hielt ihr einen Becher an den Mund. Seine plötzliche Berührung ließ ihr Herz rasen, und sie verlor die Kontrolle über ihre Blase.
»Wer sind Sie?«, wimmerte sie. Dann riss sie sich zusammen und blickte angestrengt in seine Richtung, aber die Dunkelheit war undurchdringlich.
Der Mann lachte leise. »Ahnen Sie es nicht?«, fragte er.
Susannes kurz aufgeflackerter Mut löste sich in nichts auf. »Sie sind der Russe«, keuchte sie.
»Stimmt beinahe. Ich bin Russe, aber meine Heimat ist Usbekistan. Nennen Sie mich Nikolai.« Er ließ wieder sein amüsiertes Lachen hören. »Ich habe mich an den Namen gewöhnt.«
»Lassen Sie mich gehen, und ich werde der Polizei nichts sagen«, bat Susanne.
»Die Polizei lassen Sie ruhig meine Sorge sein«, sagte Nikolai beiläufig. »Sie können gehen, sobald Sie meine Fragen beantwortet haben. Wenn nicht …« Er brach ab und ließ den unvollendeten Satz als Drohung im Raum hängen.
Wenn nicht.
Die beiden Wörter enthielten unbeschreiblichen Terror. Die Gelassenheit des Mannes war unheimlich. Viel schlimmer, als wenn er sie angebrüllt oder grob behandelt hätte. Der Russe war kein Psychopath, sondern ein abgebrühter Profi. Wenn sie ihn nur sehen, in seinem Gesicht lesen könnte! Susanne wurde wieder schlecht, und sie würgte.
»Wahrscheinlich fühlen Sie sich, als hätten Sie einen scheußlichen Kater, aber es war nur Äther. Sie mit gutem russischem Wodka unter den Tisch zu trinken, hätte einfach zu lange gedauert«, sagte der Russe entschuldigend.
Er saß bewegungslos neben ihr. Sein gleichmäßiger Atem schien immer lauter zu werden, bis er jeden Winkel des Autos ausfüllte und in Susannes Kopf widerhallte. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Es machte sie wahnsinnig. Einatmen. Ausatmen. Wie eine unerbittlich tickende Uhr. Ihre Zeit wurde heruntergezählt.
Es dauerte endlos lange, bevor Nikolai erneut sprach.
»Sie wollen doch wieder nach Hause? Sagen Sie mir, wo Marion ihren Schatz versteckt hält.«
»Ich weiß nicht, wo das Jadepferd ist«, antwortete Susanne schnell. Zu schnell.
»Wir sprechen also von derselben Sache«, kommentierte Nikolai. »Wenn Marion Ihnen die Pferdefigur gezeigt hat, dann wissen Sie auch, wo sie jetzt ist.«
»Das stimmt nicht! Sie wollte mich nicht in Gefahr bringen.«
»Wenn ich Ihre Situation betrachte, würde ich nicht sagen, dass sie ungefährlich ist«, bemerkte Nikolai nüchtern. »Nun? Ich warte.«
Die Angst schnürte Susanne die Kehle zu.
»Ich gebe Ihnen Zeit zum Nachdenken. Ersparen Sie sich Schlimmeres, und lügen Sie mich nicht an.« Bevor Susanne reagieren konnte, hatte Nikolai ihr einen Stofffetzen in den Mund geschoben und sie geknebelt.
»Machen Sie es sich nicht zu schwer. Ich gehe jetzt hinaus, und wenn ich wiederkomme, erzählen Sie mir die Wahrheit«, sagte er kalt. Aus seiner Stimme war alle Freundlichkeit gewichen. Susanne gurgelte unter ihrem Knebel, wollte ihn zurückrufen, aber er hatte die Tür bereits geschlossen. Sie versuchte mit aller Kraft, sich von ihren Fesseln zu lösen, musste den Versuch jedoch bald aufgeben. Der Russe hatte sie eingewickelt wie eine Mumie.
Ein Windhauch bewegte die Äste der Bäume, und das gespenstische Knarren ließ Susanne zusammenfahren. Klamme Dezemberkälte kroch ihr in die Knochen. Es war hoffnungslos. Sie war dem Russen ausgeliefert. Er konnte sie schlagen, foltern, umbringen, und niemand würde es verhindern.
»Ich hoffe, Sie hatten ausreichend Zeit, sich darüber klarzuwerden, was passiert, wenn Sie nicht kooperieren.«
Susanne schrak auf. Sie war in einen apathischen Zustand verfallen und hatte nicht bemerkt, dass
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