Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)
Einbruch Erfolg hatte. Mit seinem Anteil am Verkauf des Jadepferdes hätte er genug Startkapital, um sich eine neue Existenz aufzubauen, und auch sein alter Freund Igor würde nicht zu kurz kommen. In Zentralasien war mit dem nötigen Kleingeld jedes Problem lösbar.
Er nahm eine dunkelbraune Perücke aus der Tasche und stülpte sie über seine blonden Haare. Braune Kontaktlinsen und ein dezenter Schnurrbart vervollständigten die Verkleidung; er sollte unbehelligt als bosnischer Geschäftsmann Dragan Ibrahimovic über die Grenze gehen können. Sobald er in Tschechien war, hatte er keine Probleme mehr zu erwarten.
Der Golf sprang ohne Schwierigkeiten an. Nikolai fuhr auf die Landstraße zurück und schlug eine südliche Richtung ein.
Kurz vor Sonnenaufgang hielt er auf einer Brücke und warf den Müllsack in einen träge dahinströmenden Fluss. Susanne würde bald aus ihrer Misere erlöst werden.
* * *
Marion versuchte, das Klingeln des Telefons zu ignorieren. Graues Dämmerlicht stahl sich durch einen Spalt in den Vorhängen und gab ihr einen Vorgeschmack auf die Kälte außerhalb ihres warmen Bettes. Das penetrante Klingeln brach auch nach dem zwanzigsten Mal nicht ab.
»Das ist bestimmt dein Vater, Geburtstagskind. Er will wissen, warum wir dem lieben Gott den Tag stehlen«, sagte Thomas, ohne die Augen zu öffnen.
Marion schlug missmutig die Decke zurück und kletterte über Thomas’ Matratze. Im Vorbeigehen stieß sie ein halbvolles Sektglas um, ein Überbleibsel ihrer misslungenen Geburtstagsfeier. Sie stellte das Glas wieder hin und sah traurig auf die Sektpfütze. Letzte Nacht war einfach keine Feierstimmung aufgekommen; Susanne hatte gefehlt, um mit ihrer Fröhlichkeit die dicken Wolken zu vertreiben, die sich regelmäßig zusammenballten, wenn Thomas und sie allein waren. Marion griff zu ihrem Hals und betastete ihr Geburtstagsgeschenk. Thomas hatte ihr eine Kette mit einem silbernen Schildkrötenanhänger geschenkt. Er solle sie beschützen, wenn er nicht da sei, hatte er gesagt. Marion war gerührt, doch tief im Inneren wurde ihre Ahnung mehr und mehr zur Gewissheit: Der Riss in ihrer Beziehung ließ sich nicht mehr kitten.
Das Telefon gab immer noch keine Ruhe. Sie würde ihrem Vater die Meinung sagen. »Weißt du eigentlich, wie früh es ist?«, schnauzte sie in den Hörer.
»Marion? Bist du es?«
Susannes Stimme am anderen Ende war so verheult, dass Marion sie beinahe nicht erkannt hätte.
»Mein Gott, was ist los? Wo bist du?«
»Ich bin in einem Dorf in der Nähe von Visselhövede. Der Russe hat mich abgefangen, als ich gestern Abend aus dem Büro kam und …« Susannes Worte gingen in lautem Heulen unter.
Der Schock fuhr Marion in die Beine. Sie setzte sich zitternd auf die kalten Dielen.
»Steht er neben dir? Sprich mit mir«, forderte sie drängend.
Susanne unterdrückte ihr Schluchzen. »Er ist weg. Es war furchtbar, aber er hat mir nichts getan.«
»Nichts getan? Er hat dich gekidnappt! Sag mir, wo du bist, ich springe ins Auto und hole dich ab. Ist die Polizei schon da?«
»Nein, aber sie werden gleich hier sein. Ich habe Nikolai alles gesagt.«
»Was hast du ihm gesagt?«
»Professor Kirschner … Du musst ihn warnen! Bestimmt ist der Russe schon dort. Er ist vor Stunden weggefahren.«
Abermals schluchzte Susanne laut auf.
»Hör mir gut zu: Ich werde Professor Kirschner sofort anrufen. Und jetzt hol jemanden ans Telefon, der mir sagen kann, wo genau du bist. Susanne? Susanne? «
Susanne hatte die Verbindung unterbrochen.
Thomas war in der Schlafzimmertür erschienen und sah Marion forschend an.
»Was ist los?«
»Der Russe hat Susanne entführt! Sie hat ihm erzählt, wo Professor Kirschner wohnt.«
»Das ist doch nur ein böser Traum«, sagte Thomas ungläubig.
Marion war bereits dabei, Professor Kirschners Nummer einzutippen.
Eine unbekannte Frauenstimme meldete sich. »Was wollen Sie?«, fragte sie, ohne sich vorzustellen. Die Frau stand unüberhörbar kurz vor der Hysterie.
»Geben Sie mir bitte Professor Kirschner oder seine Frau«, sagte Marion. »Es ist sehr wichtig.«
»Das ist nicht möglich.« Die Frau fing an zu heulen.
Marion sackte das Herz in die Hose. »Beruhigen Sie sich«, sagte sie beklommen.
»Entschuldigen Sie, Frau …?«
»Reu…bach. Ich bin eine Freundin der Familie.«
»Sie können die Kirschners nicht sprechen, Frau Reubach. Es ist so furchtbar!«
»Was ist furchtbar? Und wer sind Sie eigentlich?«
»Die Nachbarin.« Die Frau
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