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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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mit jeder Minute kamen mehr hinzu. Auf einer der Hochhausfassaden blinkte ein fünfzig Meter hoher Neonröhren-Weihnachtsmann.
    Als es vollständig dunkel geworden war, schlenderte Marion zum nahe gelegenen Harbour City Einkaufszentrum. Als sie die aufwendige Weihnachtsdekoration vor dem Haupteingang sah, überlegte sie es sich anders. Sie wollte nicht an Weihnachten erinnert werden, nicht an Lebkuchen, nicht an Hamburg und vor allem nicht an Thomas.
    Er hatte sie kurz vor ihrer Abreise angerufen und wollte sie überreden, die Chinareise abzublasen. Ein Wort gab das andere, bis Marion wütend den Hörer auf die Gabel knallte. Sie hatte mehr Verständnis von ihm erwartet. Inzwischen war ihr klargeworden, dass Thomas mit den Nerven genauso am Ende war wie sie. Aber ebenso klar war ihr auch, dass sie ihre Beziehung mit Thomas nicht mehr aufleben lassen wollte. Sie hatte sich müde gestritten.
    Auf der Suche nach einem billigen Restaurant fiel ihr ein futuristisch eingerichteter Friseursalon auf. Kurzentschlossen stieß sie die Ladentür auf.
    »Wie soll ich Ihnen die Haare schneiden?«, fragte der Friseur.
    »Kurz.«
    »Kurz?«
    »Sehr kurz.«

    Das durchdringende Läuten des Feueralarms riss Marion aus dem Schlaf. Es war stockdunkel. Als sie die Füße über die Bettkante schwingen wollte, stieß sie mit den Knien heftig gegen die Wand und wusste schlagartig, wo sie war: in einem winzigen Zimmer in den Chungking Mansions. Im sechzehnten Stock. Und es brannte! Marions grässlichster Alptraum war Wirklichkeit geworden.
    Mit einem Satz sprang sie aus dem Bett und suchte nach dem Lichtschalter. Als sie ihn umlegte, traf das helle Neonlicht sie wie ein Schock. Marion sah sich hektisch um. Sie hatte nicht viel Zeit. Der Koffer war viel zu sperrig, um sich mit ihm zu belasten. Sie warf sich ihre Jacke über den Schlafanzug, ergriff den Bauchbeutel und entriegelte mit fliegenden Fingern die Tür. Das Schrillen des Alarms war nervenzerfetzend.
    Endlich glitt der Riegel zurück. Marion preschte auf die Pensionstür zu. Eine der Zimmertüren ging auf, und ein verschlafener Inder steckte seinen Kopf heraus.
    »Feuer! Beeilen Sie sich!«, schrie sie ihm zu.
    Der Mann sah sie verständnislos an. Er rief ihr etwas nach, aber Marion hörte nicht zu. Sie riss die Tür zum Gang auf. Das Feuer hatte diesen Teil des Gebäudes noch nicht erreicht, und sie spurtete los. Die Brandschutztür zum Treppenhaus konnte nur wenige Meter entfernt sein, aber als sie um die nächste Ecke bog, sah sie einen langen, dunklen Flur hinunter, von dem mehrere Wohnungen abgingen. Der Alarm wurde schwächer. Außer einigen in den Abfalltüten raschelnden Ratten war der Gang wie ausgestorben. Marion ging zögernd vorwärts. Die Ratten huschten davon.
    Dies war nicht der Weg zum Treppenhaus; in ihrer Panik war sie in die falsche Richtung gelaufen. Sie rannte zurück. Als sie an der gelben Tür vorbeieilte, wunderte sie sich kurz, dass keiner der anderen Gäste die Pension verlassen hatte. Marion stürmte weiter, bis sie die Brandschutztür vor sich sah. Sie warf sich mit aller Kraft gegen die massive Eisentür, die quietschend nachgab. Sie stieß eine zweite Tür auf. Vor ihr klaffte finster das Treppenhaus. Die Eisentür fiel ins Schloss und schnitt den Feueralarm jäh ab. Es war totenstill.
    Wo waren die Menschen? In den Chungking Mansions hielten sich Tausende von Menschen auf. Wo waren sie? Das verschachtelte Gebäude war eine Falle, die Bewohner mussten sich in Sicherheit bringen! Hatten sie den Alarm nicht gehört? Vermutlich war er in den meisten Wohnungen kaputt. Marion hatte Glück gehabt, dass die Glocke in ihrer Pension funktionierte. Immer drei Stufen auf einmal nehmend, raste sie abwärts durch das sich endlos um sich selbst drehende Treppenhaus. Sie verlor einen Badeschlappen. Egal. Sie musste runter, auf die Straße. Die Feuerwehr rufen.
    Das Erdgeschoss. Fahle Notlichter überzogen die heruntergelassenen Rollläden der Geschäfte mit einem gespenstischen, orangefarbenen Glühen. Zwei auf einer Metallkiste sitzende Afrikaner unterbrachen erstaunt ihre Unterhaltung, aber Marion nahm sie nicht wahr. Vor sich sah sie einen Ausgang, der auf eine der engen Seitengassen der Nathan Road führte.
    Noch wenige Schritte, und sie war im Freien. Marion schlingerte um die verlassenen Stände herum, die die Gasse tagsüber in einen Markt verwandelten, dann stand sie endlich auf der Hauptstraße.
    Mit klopfendem Herzen sah sie nach oben. Über ihr türmte sich

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