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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Jemand rüttelte ihn. Turdi? Stein Begs Gesicht, ganz nah. Das Schlingern des Packesels. Er konnte sich nicht bewegen, sie hatten ihn in dicke Decken gewickelt. Geschrei. Und der Traum. Der Traum mit dem Dämon aus der Wüste. Der Tote, der ihn nicht losließ. Er wollte etwas von ihm haben. Aber was? Dulcan stöhnte auf. Jeder Atemzug fiel ihm schwer, brannte wie Feuer in seinem Inneren.
    »Ich hole dir eine heiße Suppe«, sagte seine Mutter, dann hörte er sich entfernende Schritte.
    Er öffnete die Augen nicht und versuchte, sich auf die Geschehnisse in der Geisterstadt zu konzentrieren. Nach und nach wurden die Bilder klarer. Das alte Haus. Die uralte Mumie. Plötzlich wusste er, was der Tote wiederhaben wollte: das Kästchen! Mit einem Ruck setzte er sich auf und suchte den Raum mit den Augen ab. Seine Kleidung lag sauber gefaltet an der gegenüberliegenden Wand, daneben lehnte sein Packsack. Hatte sein Vater den Sack untersucht? War ihm das Kästchen aufgefallen? Bevor sich Dulcan vergewissern konnte, ließ sich seine Mutter mit einer dampfenden Suppenschüssel neben ihm nieder, um ihn zu füttern. Er war zu schwach, um den Löffel zu halten.

    Als Dulcan das nächste Mal erwachte, fühlte er sich kräftiger, und auch die Lunge schmerzte nicht mehr so stark. Mit großer Anstrengung befreite er sich von den Decken und kroch zu seiner Kleidung. Schnell fand er den Beutel mit dem Lohn, den Master Stein ihm ausgezahlt hatte, und das in ein Tuch gewickelte Kästchen. Dulcan öffnete es und nahm eine Figur heraus. Bewundernd betrachtete er das Jadepferd mit den goldenen Schriftzeichen. Seinen Lohn würde er dem Vater geben, aber die Figur wollte er behalten. Sicherlich war sie wertvoll, und vielleicht konnte er damit sogar ein Stück Land kaufen. Er schob das Kästchen tief unter seine Decken. Es war besser, es gut zu verstecken.
    Nach einer Woche war Dulcan in der Lage, für einige Minuten aufzustehen, und wiederum einige Tage später nutzte er die Abwesenheit der anderen Familienmitglieder, um sich in den Ziegenstall zu schleichen. Unter großer Anstrengung hob er ein Loch an der hinteren Wand aus und legte das Kästchen hinein. Dann füllte er die Erde wieder auf, glättete sorgfältig die Oberfläche und breitete eine Lage Stroh darüber. Er schwankte, als er sich erhob. Er hatte sich völlig verausgabt, die Krankheit hatte ihn nach wie vor im Griff. Bevor er den Stall verließ, betrachtete er zufrieden sein Werk. Niemand würde auf die Idee kommen, dass unter den Ziegenhufen ein Schatz vergraben lag.
    Als er über den Hof ging, versagten seine Beine, und er stürzte zu Boden. Mit letzter Kraft schleppte er sich in das Zimmer zurück und warf sich auf sein Lager. Sein Atem ging schnell, immer schneller – und dann hörte er plötzlich auf.

Hongkong
    Dezember 2004
    D ie ersten kleinen Inseln des Archipels tauchten unter Marion auf, unbewohnte Robinsoninselchen im dunkelblauen Wasser des Südchinesischen Meers. Sie drückte ihre Nase gegen das Fenster. Das Flugzeug sank den Stalagmiten der Wolkenkratzer und Apartmenthäuser von Hongkong entgegen, und sie konnte die gelben Fähren der zwischen Hongkong und Kowloon pendelnden Star Ferry Line erkennen. Nördlich der Stadt zogen sich die grünen Hügel der New Territories bis zur nahen Grenze. Dahinter, im Dunst, lag China.
    Marion streckte sich. Vor kaum drei Monaten war sie das letzte Mal in Hongkong gelandet. Seitdem hatte sich genug ereignet, um ein ganzes Leben mit Spannung zu füllen.
    Die Einreiseformalitäten waren schnell erledigt. Wegen des Kästchens in ihrer Tasche war Marion etwas nervös, aber wie schon in Hamburg und in Frankfurt interessierte sich niemand dafür; die Sicherheitsbeamten waren auf Messer, Sprengstoff und Drogen konditioniert. Bevor sie das Flughafengebäude verließ, steckte sie das Kästchen wieder in die Innentasche ihrer Jacke – es war dort einfach sicherer. Frühlingswarme Luft empfing Marion, als sie aus dem Flughafengebäude trat und auf die große Bushaltestelle zuging. Sie hatte vierundzwanzig Stunden Zeit, die Wärme zu genießen, bis sie weiter in den kalten Norden Chinas flog.

    »Nur achtzig Hongkong-Dollar! Billiger bekommst du in der Stadt kein Zimmer. Sieh es dir an, only look, only look. Es ist sauber.« Der junge Inder zerrte an ihrem Jackenärmel.
    Marion schüttelte seine Hand ärgerlich ab.
    »Ich laufe nicht weg«, sagte sie aggressiv. Es war jedes Mal das Gleiche, wenn sie die Eingeweide der Chungking Mansions

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