Die verborgene Grotte
darauf standen die beiden Freunde gemeinsam vor der Tür zum Geheimversteck. Karl schauderte, als er an die Lampe dachte und an das, was er eben erlebt hatte.
»Ich will erst selbst gucken, bevor wir den Schrank vor die Kammer schieben«, sagte Sara aufgeregt.
Gespannt schob sie die Finger in den Türspalt und zog die Tür auf. Dann rümpfte sie die Nase und sah sich enttäuscht um.
»Was soll denn daran gruselig sein? Das ist doch nur eine hässliche alte Lampe.«
»Vorhin war es gruselig«, rechtfertigte sich Karl. »Als die Lampe geblinkt hat.«
Sara nickte und feixte. Dann machte sie die Tür zu, krempelte die Ärmel auf und packte den Schrank. Er rührte sich keinen Millimeter.
»Jetzt komm schon«, ächzte sie. »Oder willstdu bloß rumstehen? Das schaffen wir nur zusammen.«
Karl stellte sich neben Sara und sie drückten gemeinsam. Aber es machte keinen Unterschied. Der Schrank blieb, wo er war. Es gelang den beiden lediglich, ihn ein wenig zu kippen, sodass die Beine sich auf einer Seite ein Stück vom Boden hoben, aber das war schon alles.
Sara machte einen Schritt zurück und grübelte.
»Gibt es hier irgendwo ein paar große, alte Teppiche?«, fragte sie.
»Klar«, sagte Karl. »In einem der Schlafzimmer liegt ein ganzer Stapel.«
»Hol einen, dann wirst du schon sehen.«
Als Karl mit einer Teppichrolle zurückkam, stand Sara an den Schrank gelehnt direkt neben dem Geheimversteck. Sie nahm Karl die Rolle ab und legte sie auf den Boden.
»Jetzt kippen wir den Schrank ein Stück an und schieben den Teppichrand unter die Beine. Bist du so weit?«
Beim zweiten Versuch gelang es ihnen, den Teppich unter die Schrankfüße zu verfrachten, und sie konnten einen Augenblick verschnaufen.
»Meine Oma war störrisch wie ein Esel und sie hasste es, meinen Opa um Hilfe zu bitten. Sie hat es immer so gemacht, wenn sie etwas Schweresumräumen musste. Wenn du jetzt schiebst, dann ziehe ich am Teppich.«
Karl ging auf die andere Seite und stemmte die Schultern gegen das Holz. Dann drückte er, so fest er nur konnte, und merkte fast sofort, wie sich der Schrank ein Stück bewegte. Wieder und wieder zogen und schoben sie auf diese Weise. Nach einer Weile hatten sie den Dreh raus und zählten bis drei, sodass sie ihre Kraft immer gleichzeitig einsetzten. Es ging zwar nicht schnell, aber Zentimeter um Zentimeter rutschte der Schrank weiter, bis er die Tür zum geheimen Raum vollständig verdeckte.
»Ta-da!«, sagte Sara. »Vollkommen unsichtbar.«
Prüfend machte Karl einen Schritt zurück. Es stimmte. Der Schrank verdeckte die Tür komplett – vermutlich war das von Anfang an so gedacht gewesen.
»Allerdings wird Miriam wohl streichen müssen«, fuhr Sara fort. »An der Wand sieht man ganz deutlich, dass da mal was gestanden hat.«
»Und auf dem Boden auch«, fügte Karl nachdenklich hinzu.
Ein helleres Rechteck auf dem Bretterboden zeigte unübersehbar, dass der Schrank genau hier gestanden hatte. Karl scharrte mit dem Fuß überdie Stelle, um zu prüfen, ob der restliche Boden vielleicht einfach nur schmutzig war. Aber da spürte er mit den Zehen eine Kante. Eine Kante, wo eigentlich keine Kante hingehörte, mitten auf einer der Holzbohlen.
»Hier ist was«, sagte er verwundert. »Im Boden. Das sieht beinahe aus wie eine … eine Falltür.«
Karls Herz schlug schneller. Gab es etwa noch einen weiteren Keller in diesem geheimnisvollen Haus? Mithilfe einiger Schraubenzieher und eines Messers gelang es ihnen, die Falltür so weit anzuheben, dass sie sie zu fassen bekamen. Die Scharniere knarrten und jammerten, aber mit vereinten Kräften gelang es ihnen schließlich, die Luke ganz aufzuklappen.
Feuchte Luft und dumpfer Höhlengeruch schlugen ihnen entgegen. Vor ihnen gähnte ein nachtschwarzes Loch. So schwarz, dass es fast aussah, als wäre einfach gar nichts darunter. Wie ein schwarzes Loch im Weltraum.
Vorsichtig legte Karl sich flach auf den Boden und spähte über den Rand. Das Einzige, was er ausmachen konnte, war eine rostige, alte Eisenleiter, die in der Dunkelheit verschwand.
»Das ist zu tief«, sagte Sara. »Wenn man was erkennen will, muss man runterklettern.«
Runterklettern? Karl schluckte. Wieder verspürte er diese wohlbekannte Mischung aus Neugier und Angst.
»Hältst du das für eine gute Idee?«
Sara kniete sich neben die Luke und beugte sich vor, um besser sehen zu können. Dabei rutschte ihr etwas aus der Brusttasche und fiel klappernd nach unten, geradewegs in die
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