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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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einen kleinen Schrei nach.
    Als Martin kam, ließ Dora den Käscher sinken. » Le voilà, ich dachte schon –,« aber Hanna stampfte ungeduldig mit dem Fuße auf, weil Dora ihr wieder einen Ball verdorben hatte und das Spiel nun verloren war.
    Die drei gingen nach der Mitte an das Netz, um abzurechnen. Man hörte englische Zahlen und Benennungen.
    Martin setzte sich auf eine leere Bank am elsässischen Platz und wartete. Zwei junge Straßburgerinnen saßen da in kleidsamen weißen Tennismänteln, die ihre weißen Schuhchen sichtbar machten, und warteten auf das Verschwinden der Sonne. Ihre Männer standen hinter ihnen, partie carrée, und machten ihnen den Hof. Man sprach vom Prozeß Caillaux und verabredete eine Autopartie für kommenden Sonntag. In diesem Augenblick kam ein lautes Surren aus der Luft. Die silbern schimmelnde Zigarrenform eines Zeppelins fuhr langsam über den Platz hin. Alle blickten, auf. Hanna hatte den Kopf zu Martin herüber gewendet, er zu ihr. Sie lächelten sich zu. »Weißt du noch?« Aber das dauerte nur einen Augenblick.
    Jetzt endlich kam auch Martin an die Reihe zum Spielen. Es gestaltete sich so, daß die beiden Mädchen die Adjutanten der Männer wurden. Martin glühte und strömte über von Energie, der junge Hummel spielte gelassen, »todsicher und todschick«, wie er sich selber rühmte. Martin sah, wenn der Gegner sich neigte, seinen geraden weißen Scheitel in der Mitte des Kopfes. Das erfüllte ihn mit rätselhafter Abneigung. Auch die breiten Schultern, die aussahen, als ob Epauletten unter ihnen steckten, die schmale Taille, der scharfe helle Junkerblick, alles war ihm zuwider. Er spielte mit Haß, als gelte es eine körperliche Niederwerfung des anderen. Dora, seine Partnerin, rief ihm beim Hin- und Hergehen hinter ihm beständig ein paar Worte zu, die ihn neugierig machen sollten.Ob er ein guter Schauspieler sei? Ob er singen könne? Malen? Hanna drüben sprach nichts Überflüssiges. Zuletzt setzte man sich zum Abkühlen auf die Bank. Dora in einen blauen Schal gehüllt, Hanna in ihrer einfachen durchsichtigen Bluse, die mädchenhafte Arme durchschimmern ließ. Sie saß ein wenig vorgebeugt, das Racket wie ein Junge zwischen den Knien hin und her bewegend.
    »Können Sie rasch auswendig lernen?« fragte Dora wieder zu Martin hinüber.
    Helmut nahm nun das Wort und berichtete, man feiere in wenigen Tagen den siebzigsten Geburtstag des Geheimrats Hummel. Die Fakultät und die Studenten hatten große Vorbereitungen getroffen, aus allen Ländern und Weltteilen hatten sich Abgeordnete der Universitäten und gelehrten Gesellschaften, deren Ehrenmitglied er war, angemeldet. Man rechnete auf mindestens fünfzig Personen zum Diner. Um nun auch von der Familie aus etwas beizusteuern, hatte Hanna ein Festspiel gedichtet: Bilder, Musik, Tänze, ein großer feierlicher Zug mit einzelnen Sprechern. Das Ganze sollte eine Huldigung der Länder sein, die durch die Forschungen des Geheimrats von ihren Seuchen und Gesundheitsgefahren befreit waren. »Meine Schwester hat die schwierige Aufgabe wirklich glänzend gelöst,« sagte er halb ritterlich, halb anmaßend.
    »Wir hatten einen Japaner,« fuhr Dora dazwischen, »für Asien, und denken Sie nur, heute nachmittag sollte die erste Besprechung sein bei uns. Alle andern kamen, der Japaner bleibt aus. Wir schickten hin. Er ist abgereist. Abgereist ganz lautlos, ohne von irgend jemandem Abschied zu nehmen.«
    »Ja, sogar ohne seine Rechnungen zu bezahlen,« ergänzte Helmut lachend.
    Man forderte nun Martin Füeßli auf, die Rolle des Verschwundenen zu übernehmen. »Sie haben nicht viel zu sprechen,« sagte Hanna. Dora erzählte, sie selber würde die Gesundheit darstellen, Helmut die Wissenschaft, Hanna die Pest. »Sie hat sich eine abscheuliche Maske dazu gemalt, ganz grün, mit Schlangen darum herum. Und dann geht sie auf Stelzen. Ganz groß.«
    »Ein Erinnyenkostüm,« sagte Hanna sachlich.
    Und nun kam die Hauptbitte. Der russische Maler, der angefangen hatte, die exotischen Kulissen für das Spiel zu malen, war vor der Zeit in die Ferien gereist. Irgendeine Familienbotschaft, wie er sagte. Hanna hatte in der »Revue alsacienne« ein paar kleine Zeichnungen von Martin Füeßli gesehen, die ihr sehr gefielen und sie auf den Gedanken brachten, ihn zu bitten, die Kulissenmalerei zu vollenden.
    Martin sagte zu.
    Was für ein Kostüm es sein müsse? fragte er dann.
    Dora sprang auf. »Oi, ich habe wundervolle schwarze Angorafransen, die

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