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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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lachen.« Dann ließ sie ihn stehen.
    Ein paar Tage später hörte man, der neue Zeppelin sei in Echterdingen verbrannt. An der Wirtstafel, an der dieFüeßlis mit den Hummels saßen, wurde gesammelt. Norddeutsche, Süddeutsche und Elsässer, jeder gab, plötzlich und einmütig. Auch Pierre. »Das Lebenswerk eines bedeutenden Mannes soll nicht so nutzlos untergehen.«
    Martin legte sein ganzes Spartum auf den Teller, zwei Goldstückchen, die er auf die Reise mitgenommen hatte, um sich irgendwo etwas unerhört Schönes dafür zu kaufen, etwas Lebendiges vielleicht, oder auch eine schöne Schlipsnadel, oder seine Zigarren. Aber nun gab er es weg. Er dachte an den schmalen, silbernschimmernden Seidenballon dabei und an Hanna, die ihn von den andern wegführte, damit sie nicht über ihn lachen sollten.
    Später manchmal tat es ihm leid, sein schönes Geld so fortgegeben zu haben. Aber er brauchte nur den Atem anzuhalten, so daß er Herzklopfen bekam, und gleich war das merkwürdig wundervolle Gefühl von jenem Tag in Donaueschingen wieder da.
    Dann hatte er die Schule durchlaufen und war nach Straßburg gekommen, Chemie zu studieren. Sein Vater wollte ihn später bei der Fabrik anstellen. Inzwischen hörte er auch Vorlesungen, die nicht in sein Fach gehörten: Kunstgeschichte und Biologie. Auch bei Hummel belegte er ein Kolleg, ging aber selten hin. In dessen Hause in der Goethe-Straße hatte er eine Karte abgegeben mit Grüßen von seinen Eltern. Kurze Zeit nach diesem Besuch, bei dem er niemand zu Hause getroffen, wurde er zum Abendessen dorthin geladen. Es war ein Studentenabend. Lauter Zuhörer des Geheimrats, darunter eine Dame, ein Elsässerin. Der alte Geheimrat war sehr liebenswürdig, sprach mit jedem, zeigte nach Tische schöne Photographien von interessanten Reisen. Man rauchte und trank Wein. Die jungen Leute sprachen wenig, eigentlich nur, wenn sie gefragt wurden. Es kam Martin vor wie in der Schule.
    Die Damen waren wahrend des Essens zugegen gewesen, hatten alle drei nebeneinander am Kopf des Tisches gesessen. Dora schien ihm sehr schön und üppig mit dem blendenden Teint der Rothaarigen, Hanna ernst, unzugänglich, beinaheunliebenswürdig. Die Mädchen trugen weiße Kleider. Frau Hauptmann sah vornehm und altmodisch aus, in einer weißseidenen Bluse und schwarzseidenem unmodernem Rock. Sie saß in der Mitte zwischen den Töchtern, unterhielt sich nicht, sondern leitete mit einer Kopfbewegung oder einem Deuten ihrer gutgeformten großen Hand das aufwartende Mädchen, eine ländliche Ostpreußin, die erst angelernt werden mußte. Nach Tisch zogen sich die Damen geräuschlos zurück. Helmut war nicht mehr in Straßburg. Er war Referendar in Berlin.
    Der Sommer gab keine Gelegenheit zu neuen Einladungen. Martin war das recht. Er sei nicht nach Straßburg gekommen, um »Familie zu simpeln«, sagten seine Kommilitonen. Noch dazu bei Deutschen!
    Nun, kurz vor den Universitätsferien, war es das Tennisspiel, das ihn wieder mit den Hummelschen Mädchen zusammenführte. –
    Jetzt war er an die Orangerie gekommen, stieg aus und ging hinüber zu den Tennisplätzen, auf denen bereits weiße Gestalten hin und her sprangen. Um das Drahtgitter des Platzes herum übten junge Leute sich im Wettlaufen. Das Trikot ihrer Oberkörper war durchnäßt, ihre Augen wie herausgequollen vor Anstrengung. Man hörte ihren Atem schon von weitem. Es lag etwas Fanatisches in diesem Laufen. Und auf diese Jugend schilt der alte Eusèbe, dachte Martin. Er verachtete in diesem Augenblick die geistvolle Zierlichkeit des alten Herrn, die ihm müßig schien und unnütz, genau so wie die »Genialität« seines Sohnes Albert. Diese hier, die ihren Körper stählten für das Kommende, das dräuend wie Pulvergeruch in der Luft lag, sie schienen ihm bewundernswert in ihrer Stärke.
    Auf dem deutschen Tennisplatze lagen bereits schräge, lange Schatten. Dort spielte man. Martin erkannte die Schwestern Hummel, die Schlanke, Rasche und die Rundliche in ihrem sehr engen Kleide, die beim Laufen aussah, als kämpfe sie verzweifelt um Bewegungsfreiheit. Ihnen gegenüber hielt ein hochbeiniger Herr in elegantem Tennisanzug allein seine beiden Plätze. Es war Helmut. Er sprang geschickt hin und her undwarf jeden Ball, kaum zentimeterhoch über dem Netz, kunstvoll und sicher zurück. Hanna, ihm ebenbürtig, sah sich ein paarmal zornig nach der langsamen Dora um, die eben vorn stand und von ihr bedient wurde. Dora schickte jedem Ball, den sie nicht fing,

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