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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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das nicht für ein politisch schlechtes Zeichen?«
    Helmut schüttelte den Kopf. »Diese Gefahr ist vorbei,« sagte er mit unumstößlicher Bestimmtheit. »Es wäre auch ein zu großer Blödsinn gewesen. Wenn ich nicht dächte, daß die Schose nun endgültig lokalisiert ist, wäre ich ja gar nicht hergereist.«
    »Ach, es wird ja doch niemals etwas mit dem Kriege,« rief Martin fast ärgerlich. »Wie oft war schon die Rede davon. Es zieht sich alles immer wieder zurecht.«
    Hanna sah ihn kühl an. »Hoffentlich! Wenn wirklich noch einmal ein Krieg kommen sollte, müßte man verzweifeln an allem, was man gewollt und erstrebt hat.«
    Helmut hörte nicht auf sie. »Es hätte nur scheußlich in die Bude geregnet,« sagte er, »wenn wir gerade jetzt Krieg bekommen hätten. Im Oktober wollte ich gerade mit der Banksache beginnen.«
    Man hatte sich jetzt in Trab gesetzt. Es sei fast acht Uhr, der Onkel verlange unbedingte Pünktlichkeit.
    Er esse doch wohl ein Butterbrot mit ihnen? fragte Hanna flüchtig im Laufen und wartete die Antwort nicht ab. Martin, gewöhnt um sieben Uhr seine ausführliche elsässische Mahlzeit zu nehmen, war schrecklich hungrig. Das »Butterbrot« lockte ihn wenig. Er sei verabredet, sagte er, wolle nur rasch seine Rolle abholen und dann gehen.
    Man war jetzt in der Goethe-Straße und bei der Hummelschen Villa angelangt, die, durch ein Vorgärtchen von der Straße abgeschlossen, als letzte neben ähnlichen am Straßeneck stand. Dora lief voraus, zu sehen, kam dann kichernd und wichtig zurück, der Onkel und die Mutter säßen schon beim Tee im Eßzimmer. Martin möge nur ja mit ihnen hineinkommen, »sonst kriegen wir Schelte«. Aber er bat, im Garten bleiben und warten zu dürfen.
    Das tat er dann unter einem weiß und rosa blühenden Rosenbogen, mit knurrendem Magen und in Versuchung, sich wieder davonzuschleichen. Der Garten war größer, als er vermutet hatte, zog sich, wohlangelegt, mit schönen Bäumen, Rasenplätzen, Lauben und Büschen über die Parallelstraße hinaus bis in die zweite hinein. Aus den geöffneten Fenstern des Nebenhauses kam Gesang, der plötzlich verstummte; dafür begann ein Vogel zu singen, weiße große Blütendolden glänzten und dufteten im langsam beginnenden Dämmern. Martin setzte sich auf eine Korkbank. Vor sich, durch die Länge des Gartens getrennt, hatte er die große, blumenbestellte Veranda, hinter der das Eßzimmer lag. Die breite Flügeltüre stand geöffnet. Er hörte ab und zu ein Glas klirren, eine Gabel auf Porzellan klappern. Es kam ihm plötzlich angenehm abenteuerlich vor, so allein im fremden Garten zu sitzen und von ferne Menschen zu belauschen, die ihn nichts angingen. Er hielt aus irgendeiner Laune den Atem an. Ein wohlbekanntes Brausen der Erwartung, das er liebte und das nicht viel mehr war als ein leichtes Herzklopfen, trieb ihm das Blut empor. Eine helle, herbe Gestalt kam die Verandastufen herab. Kameradschaftlich gab Hanna ihm die Hand. »Kommen Sie, Onkel Heinrich ist in sein Zimmer gegangen.«
    Man ließ ihn gar nicht erst in die Eßstube hinein. »Ein abgedeckter Tisch ist häßlich,« sagte Frau Hauptmann Hummel. Sie ließ auf dem Verandatisch frisch aufdecken: Tee, Brot, Butter und Aufschnitt, das typische norddeutsche Abendessen. Martin fand es puritanisch. Aber da er hungrig war, aß er zu seiner eigenen Beschämung alles auf, was auf dem Teller war. Frau Hummel wurde jetzt weit freundlicher zu ihm. »Ich sehe es so gern, wenn man ordentlich zugreift.«
    Hanna war hinaufgegangen, das Manuskript zu holen. Die Mutter und Dorn sprachen inzwischen von dem bevorstehenden Geburtstagsdiner. Bisher waren keine Absagen der ausländischen Gäste gekommen. »Vielleicht befördert die Post keine Privatdepeschen mehr,« meinte Frau Hauptmann. Unter ihren Augen zeichneten sich rote Erregungsflecke ab im blonden Gesicht. Aber sie redete laut mit deutlicher, etwas scharfer Stimme wie immer.
    »Sie haben Angst, Madame?« fragte Martin teilnehmend.
    Sie sah ihn gerade an. »Ich bin ein Soldatenkind.« Unwillkürlich faßte aber ihre Hand dabei nach dem Sohn, als müsse sie sich versichern, daß er noch dasitze.
    »Und Sie?« fragte Helmut, »müßten Sie auch mit?«
    »Ich habe noch nicht gedient.«
    »Sie haben Verwandte in Frankreich, gelt?« fuhr Dora dazwischen, die sich zu wenig beachtet fühlte.
    »Meinen ältesten Bruder.«
    Frau Hummel und ihr Sohn sahen einander an. Es lag Mißbilligung in ihrem Schweigen. So daß Martin unwillkürlich

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