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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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Justin tat ein paar tiefe Züge aus der Pfeife und qualmte schweigend vor sich hin. Dann begann er in der flachen Truhe, die unter der Muttergottes stand, nach Riemzeug zu suchen, holte Hammer und Zange und kramte nach Draht.
    Dicke Schmeißfliegen surrten um die Speckseiten herum, die im Rauchfang hingen. Vom Käsebrett fiel ab und zu ein Tropfen in den Holzeimer.
    »Jo, d'r curé ,« fing der fermier wieder an. »Unsereiner het jo net so d' éducation , awer d'Herre expliziere's einem: 's Elsaß, kann erscht wieder so recht prosperiere, wenn alle üseg'jagt sin, wo d'r Glauwe net han; erscht d'rno, wenn's emol in Mülhuse, Stroßburg, Genève und Berlin kei Ketzer un kei Liberale meh' het. Un d'rno soll m'r am Platz vom Herr Maire von Thurwiller d'r Monsieur Cerf uf d'Wahl setze. D'r Monsieur Cerf kenn' i no net guet,« fuhr er fort, »awer d'r HerrMaire, seller kenn i guet! Der isch bi meinem Maidele, dem Jeannettle, am Bettl g'sesse, wo's am Versticke g'si isch, un het mit siner Hand ihm ins Hälsle g'langt un het ihm alles üseg'holt, wo ihm weh g'macht het. Do uf'm Bänkle isch er g'hockt d' ganz Nacht un isch erscht heim, wo's Jeannettle wieder laut het brülle könne. So isch es.«
    In diesem Augenblick fuhr aus der Kammer, die einige Stufen höher lag, ein kleines, blondes, trockenes Frauenwesen mit kreischender Stimme herab und schrie in wildem Patois, ohne auf Hummel zu achten, den Bauer an:
    »Halt's Mul mit dinem Herr Maire! D'r curé sait, in d'r feurige Höll muß er brote! On alle, wo's mit ihm halte, dene geht's grad e so!«
    Der Bauer spuckte friedfertig aus. »'s isch zum Lache,« begann er wieder. »Im Mai han sie g'sait, wenn m'r net d'r Kaiser wähle, d'rno git's Krieg. Jetz han m'r d'r Kaiser g'wählt, un jetz git's erscht racht Krieg, wie sie sage. Das Wählerdings, das isch en général so ebbes Exageriertes – uns Bauerslitt touchiert das so viel wie nix. Ob m'r seine contributions für d'r Charles-Dix, für d'r Louis-Philippe oder für d' république zahle muß, oder ob d'r Napi sie in d'r Sack steckt – n'importe !«
    Die dürre Frau sah die beiden schielend von der Seite an und machte sich dann unter halblautem Schimpfen am Herde zu schaffen. Justin stellte sich wie schutzbedürftig neben den großen starken Fremden. Unterdessen fuhr die Frau fort, mit großem Lärm Pfannen und Kessel hin- und herzuschieben.
    »D'r curé sait,« giftete sie nach einer Weile wieder hervor, diesmal in besserem Deutsch, so daß Hummel es hören sollte, – »d'r curé sait, wenn's Krieg git, d'rno schlagt m'r d'r roi d'Prusse z'samme zu 'ne ganz kleine Kurfürschtle.«
    Hummel lachte herzlich. »Ich will's ihm sagen, wenn ich wieder mal nach Berlin komme.«
    »Monsieur isch von Berlin?« fragte der Bauer bedenklich, er rückte sichtlich ein wenig ab.
    »Von dicht dabei. Ich bin nämlich auch Prussien«» C'est dommage .« Aber dann faßte sich Maître Justin höflich. »Z'erscht«, sagte er bedächtig, »kann Monsieur nix d'rfür, daß er Prussien isch – ensuite –«, er streckte den erdschwarzen Zeigefinger versöhnlich in die Luft – »geht mich das garnix an.«
    Die Greisin am Fenster, die ihre halberloschenen Augen schon eine Weile gespenstisch starr auf Hummel gerichtet hatte, erhob sich plötzlich. Sie streckte, immer mit der Kunkel in der Hand, die lange Faden zog, beide Arme wie suchend vor sich hin, blieb aber in der Bewegung stehen und fing an, leise zu weinen.
    »Was hat sie?« fragte Hummel.
    Die Schwiegertochter ging mürrisch auf die Alte zu, sie wieder auf ihren Platz zu bringen. »An einem Stück embêtiert sie d'Litt mit ihre ewige Schnecketänz.« Aber die Alte schien aus Eisen. Unbewegt stand sie da. Und jetzt zeigte sie mit den fleischlosen, bis zum Ellenbogen entblößten Armen auf Heinrich, daß er sich unwillkürlich zurückbog.
    »Prussien – d' Kugel – d' Kugel –« Sie machte eine Geberde des Hasses auf Heinrich zu. »D' Kugel – d' Kugel –,« wiederholte sie heiser.
    Justin faßte sie unter die Achsel und führte sie zu ihrem Sessel zurück: »Blib still, Muettel!«
    Sie ließ es ruhig geschehen, aber ihre erstorbenen Augen hefteten sich aufs neue unbewegt auf Heinrich, daß es ihn durchfröstelte.
    »Sie meint selle Kugel, wo mein Vater getroffen hat z'Jena,« sagte Justin. »M'r hett sie ihm üsg'schnitte un er isch dran gestorwe. Vorher awer het er noch zu mir g'sait: Wenn m'r emol d'r Tanz von vorne a'fange mit de Prussiens, d'rno schick ihne das falsche Geld

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