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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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Alle lachten über die ungalante Bewegung. Er selber mit. Aber Françoises Gesicht wurde unter demfröhlichen Getue seltsam steif. Zuletzt klang das Lachen aller komödienhaft.
    »Bei uns heißen die Blumen anders,« sagte Heinrich, nur um sprechen zu hören.
    »Wie denn sonst?«
    »Vergißmeinnicht.«
    Françoise sah auf, weil sein Ton so ungeschickt zärtlich gewesen war. Aber die verzerrte Gespanntheit wich nicht aus ihren Zügen. Mit verschlossenen Mienen wanderten die beiden jungen Menschen den Kindern nach, die sich neckten und jetzt einander zu haschen begannen.
    Françoise ging mit kleinen harten Schritten, sie blickte gerade vor sich hin. Sie dachte an die Leiden, die dieser fremde Mann da neben ihr ihr schon bereitet hatte. Sie dachte an Blanche.
    Und ein Zorn stieg in ihr auf gegen alles, was diese Liebe ihr noch bringen würde. Unfähig das Schweigen noch länger zu ertragen, brach sie auf einmal los: »Daß sie sich nicht schämt vor dem goldigen Kind!« Sie schluchzte auf, ihre feinen Brauen waren gerunzelt. »Diese Madame sans-gêne ,« schickte sie noch zornig nach.
    Heinrich sah sie überrascht an. Er hatte sie bisher als die Harmonische, Sanfte gedacht, die Heimatliche, in der man ruhen könne. Nun reizte ihr würziger Zorn ihn zu viel heißerer Leidenschaft. Unwillkürlich streckten seine Arme sich aus, sie an sich zu ziehen. Er hielt sich kaum zurück, ihr nahes Gesicht, das von Jugend duftete, zu küssen. Aber nein. Er durfte nicht das Mädchen, das er liebte, mit denselben Lippen berühren, auf die sich Blanches parfümierter und gefärbter Mund gedrückt hatte. Behutsam, wie bittend, ergriff er ihre beiden schlaff herabhängenden Hände, fügte sie zusammen wie eine Schale und legte seine Blumen da hinein. »Ihnen gehören sie!«
    Ein weiches Rauschen war in der Luft, ein Duften und Wehen, das löste. Françoise blickte auf. Ihre Augen waren ganz schwarz. Um ihren Mund zuckte es, als ob sie lange geweint hätte und nun damit aufhören wolle. Sie hob die Blumen zu ihrem Gesicht, in das langsam eine zarte Röte stieg.»Werden Sie es mir denn jemals glauben können –?« stammelte Heinrich hilflos. »Nur dich, Françoise! immer nur – nur dich!«
    »Ja, jetzt glaube ich es,« sagte Françoise einfach. Sie schloß die Augen. »Je vous aime,« flüsterte sie rasch und sehr leise.
    Aber es gab ihm einen Stoß. Die Erinnerung an die gleichen Laute aus Blanches Munde quälte ihn.
    »Sprich Deutsch!« flehte er. »Sage es deutsch!«
    Das schien sie komisch zu finden. Um ihre Wangen spielte ein Übermut. Und plötzlich hob sie sich ein wenig und gab ihm einen frischen Kinderkuß mitten auf den Mund. Und entsühnte ihn so.
    Sie sah in sein Gesicht, in dem es kämpfte, ihre Augen wurden voller Güte.
    »Jetzt gehörst du mir,« sagte er fast hart.
    Sie nickte. »Für immer. Was auch kommt.«
    Dann sprachen sie nicht mehr, gingen mechanisch weiter und sahen sich in die glühenden Gesichter.
    »Sie sind auf falschem Wege!« rief Victor Hugo. Er war den beiden nachgerannt, die sich anschickten, Hummels Pfad wieder zurückzugehen. Sie sahen sich an, erröteten und kehrten um. Unversehens brachen sie in Lachen ans. Diesmal befreit und froh. Es war, als hätten sie starke, tröstende Dinge zueinander gesagt in jenem einen raschen Blick, und alles, was nun kommen werde, sei erwünscht.
    Es ging jetzt dem Isenheimer Wäldle zu, immer über Wiesen. Lucile hielt sich neben Hummel, der, göttlich gelaunt, sie auf das amüsanteste unterhielt. Françoise ging still neben Victor Hugo. Ab und zu streiften die Liebenden mit den Händen oder den Kleidern aneinander, dann sahen sie in die Luft und lachten den Himmel an. Eine graue, kleine Wolke mit entzündeten Rändern hatte sich über ihnen zusammengeballt. Es sah schön aus im blaßblauen Himmelssee.
     
    Duftend und herrlich kühl war es an dem Moosplätzchen zwischen Tannen, wo die übrige Gesellschaft lagerte. Dugirard hatte eine dicke Zigarre im Mund und amüsiertesich mit einer Laute, auf der er sich versuchte. Er hatte das Hütchen schief nach hinten geschoben, einen Krug mit Wein neben sich und plauderte während seines Musikknipsens gegen Hortense hin, die, ungern müßig, mit einem Elfenbeinschiffchen eine feine Spitzenarbeit neuer Mode hervorbrachte. »Occhi« nannte man sie. Nur Blanc lag, lang und unbeschäftigt, auf dem Rücken, die Augen ins Blau gerichtet, in dem die kleine, graue Wolke mit Schwefelrand größer und schwerer wurde. Er atmete den Duft der

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