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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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mich liebt?« Sein Gesicht flammte. Sie erriet ihren Mißgriff. Weich und verführerisch lehnte sie sich an ihn. »Ich scherzte nur, mein Freund. Ja, schilt mich nur,« flüsterte sie, » c'est vrai, ich bin frivole, moqueuse, nicht wahr? was du willst, aber ich liebe dich, oh, je t'aime, je t'aime! « Ihre dunkle, melodienreiche Stimme bebte und lockte und riß ihn in ihre Macht. Mit beiden Händen preßte er ihr Gesicht sich zu und küßte sie von neuem.
    Sie wehrte ihn ab. Ihre Lippen lächelten dazu. »Versuch' es doch! Geh' zu Françoise, liebe sie, heirate sie! Sie würde mit dir deine ernsthaften deutschen Bücher lesen, würde dich hätscheln und pflegen, dir gute Süppchen kochen, bis du einen kleinen Bauch bekommst, würde dir im Winter die Pantoffeln vor den Kamin stellen und zwischendrein eine Menge kleine Hümelles in die Welt setzen, die alle ihrem blonden dickköpfigen Herrn Papa glichen mit der schlechten Laune und der schlecht gebundenen Krawatte.«
    Ihre schlanken Finger versuchten seiner etwas genial geschlungenen Lavallière mehr Chic zu geben. Belustigt betrachtete sie seine verfinsterte Miene. »Wie das mich amüsiert,« sagte sie – dann ernsthaft: »Zu denken, daß ich einen deutschen amant haben werde!« Sie sah ihn prüfend an.
    Sie saßen jetzt beide, die heißen feuchten Hände ineinander. »Und Monsieur de la Quine?« murmelte Heinrich.
    »Der? O, er ist nicht eifersüchtig, er ist genug beschäftigt, seine Demoiselle in der Post zu hüten.«
    »Ach, Sie wissen?«
    » Mais certainement, das hebt ihn sogar ein wenig in meinen Augen. Er ist so träge.«
    »Haben Sie Herrn de la Quine geliebt, damals als Sie ihn heirateten?«
    Jetzt lachte sie laut. »Geliebt? Welche Phantasie! Sie sind romantisch, Monsieur. Wie das reizend ist!«»Aber warum haben Sie ihn geheiratet?« beharrte Heinrich eigensinnig.
    »Man muß ja doch heiraten, mon ami . Und es hätte ein viel Schlechterer werden können. Er war der Erste, der mir Stellung und Geld bot. O nein, ich bin zufrieden, ich bin ganz zufrieden! Aber reden wir jetzt von Wichtigerem. Wir lieben uns, wir müssen uns wiedersehen, nicht wahr? Bei mir in der Maison Centrale ist das unmöglich, der Pförtner ist nicht zu bestechen, aber bei Ihnen – die guten Bourdons gehen ja immer schon mit ihren Hühnern zugleich schlafen. Ich werde heute nacht durchs Gartenpförtchen kommen, etwa nach Zehn-Uhr-Läuten. Sie erwarten mich, nicht wahr – und führen mich hinauf. O, ich kann schleichen wie eine Katze!«
    Sie stemmte ihre beiden Arme gegen seine Brust. Ihr Atem ging heiß.
    »Heute nacht also,« sagte er mechanisch und küßte sie. Dabei nahm er sich fest vor, sie an dem Gärtchen abzufangen und nach ihrem Hause zurückzubegleiten.
    »Monsieur Hümelle! Madame!« rief es von weitem. Gleich darauf tauchte Victor Hugo auf. Man hatte ihn abgesendet, nach den Flüchtlingen zu suchen.
    »Ich dachte mir, Madame de la Quine würde mit Ihnen hier sein,« sagte er, »mit Papa geht sie auch immer hier hinauf, wenn Mama und ich unten bei dem Wagen bleiben.«
    Er hatte dabei den listigen Bauernblick seines Großvaters Schlotterbach. Heinrich Hummel nahm ihn bei der Schulter: »Schwatz' nicht dummes Zeug, mein Sohn!«
    Eine Pause entstand, dann lachte die Quine aus vollem Halses. Sie lachte so sehr, daß sie häßlich wurde.
    Zu Dreien ging es hinab. Hummel unzufrieden und befangen hinter den beiden. Die Quine plauderte hastig mit dem Knaben. Sie erzählte von einer Reise ans Meer, die sie vor ein paar Jahren gemacht hatten, und wie man den ganzen Tag im Badeanzug im Freien verbracht habe, »mit bloßen Beinen, Hals und Armen«. Dabei sah sie vergnügt auf den hübschen Jungen, der einen roten Kopf bekam. Hummel blickte zuBoden. Er fühlte eine Scham, die ihn betäubte. Am liebsten wäre er gar nicht wieder zu den anderen gegangen, hätte sich irgendwo versteckt, aber Victor Hugo, der instinktiv empfand, daß sein Held, den er immer noch heiß liebte, litt, hing sich an seinen Arm und zog ihn mit. So schritt der junge Deutsche wie ein Tauber und Blinder durch den Trubel drunten.
    Am Gasthof warteten die beiden Wagen, die Damen hatten schon Platz genommen. Blanche de la Quine legte beide Hände an ihre volle Brust, sie schien ganz außer Atem.
    »Wie wir Sie gesucht haben! Wir haben davon Herzklopfen bekommen! Nicht wahr, Monsieur Hümelle? Es war nicht schön von Ihnen, mes dames, uns so im Stich zu lassen. Und Monsieur Hümelle war die ganze Zeit über

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