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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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spitz.
    »Sie reisen bald, Monsieur Hümmelle, vermute ich? Unser armer Pharmacien kommt sonst am Ende noch in den Verdacht, einen preußischen Spion zu beherbergen.«
    Scheinbar achtlos nestelte sie an ihrer Mantille.
    Camille war fahl geworden.
    »Einen Spion?«
    »Aber kein Zweifel! Jetzt, da man Graf Bismarcks Intriguen kennt.«
    Vater Bourdon sank in einen Stuhl zurück. »Ich, einen Spion!«
    Blanche lächelte. »O, man ist argwöhnisch. Jetzt, da es ja zum Kriege kommt mit Preußen.«
    Bourdon stöhnte: »Also Krieg! Habe ich es nicht immer gesagt, es kommt noch einmal zum Kriege? Aber niemand hört auf mich. Das lebt so in den Tag hinein und denkt an nichts! Wenn ich nicht wäre! Sie wissen Neues?« fragte er dann gespannt.
    » Mais oui , in Isenheim ist diesen Abend eine Schwester vom Sacré-Cœur aus Paris zu Besuch gekommen, sie sprach von Lärmszenen im Parlament, ganz Paris ist in Erregung, nur wir hier in der Provinz erfahren immer alles erst, wenn es schon vorbei ist.«
    »Aber was geschieht denn?« fragte Heinrich. Tante Amélie hatte ihm noch einmal eingeschenkt, ihm ein gutes Stück Kuchen dazu geschnitten, nun saß er am Tisch wie ein Spießbürger und erholte sich von seinem Abenteuer, ungerührt durch die verächtlichen Blicke der schönen Qine, die tiefbeleidigt war durch die Haltung ihres »amant« . Seine »Roheit« hatte sie ihm vergeben, sein Mangel an schöner Geste schien ihr unverzeihlich. Anscheinend leichtherzig plauderte sie weiter.
    »Was geschehen ist? Ihr roi de Prusse , Monsieur, hat irgendwelche Ungeheuerlichkeit begangen, es hat darüber erlegte Debatten gegeben in der Kammer, und man hat beschlossen, sich keine Art von Übermut von dort drüben mehr gefallen zu lassen. C'est ainsi . Die Situation ist gespannt, man wartet auf die Entschuldigungen von Preußen, treffen sie nicht ein, dann – – –!«
    »Entschuldigungen?« Heinrich war aufgefahren, sein Gesicht flammte. »Ich halte das für unmöglich,« sagte er dann beherrschter. »König Wilhelm wird die Ehre seines Landes nicht preisgeben.«
    »Sie wollen also Krieg!« Ihre Augen blinzelten ihn an.
    »Krieg zwischen Frankreich und Preußen?« wiederholte Bourdon scheltend, indem er sich hinter die Quine, gleichsam in ihren Schutz stellte. Heinrich sah ihn nachdenklich an. Der Klang des Wortes Krieg, heute schon leise präludiert, nun immer deutlicher angeschlagen, erregte ihn. Vor ein paar Tagen noch würde ihn solche Aussicht vielleicht entzückt haben, er hätte an Kraft und Kampf gedacht, an Begeisterung, an Blut und Jammer auch vielleicht, aber doch an lauter Unpersönliches. Jetzt fühlte er sich sonderbar zerrissen, er hatte die Empfindung, sein eigenstes Geschick sei plötzlich unlösbar verknüpft mit einem streitenden Hüben und Drüben, als müsse er an beiden Seiten zugleich sich einsetzen, sich behaupten. So fand er keine Antwort. Auch erwartete Madame de la Quine das nicht. Im Rausch ihres Sieges über den »hölzernen Deutschen« und im angenehmen Bewußtsein, sich einen guten Abgang gesichert zu haben, schritt sie wie eine Heroine zur Türe.Heinrich raffte sich zusammen. »Ich werde Sie hinüberbegleiten,« sagte er höflich. Sie lachte auf.
    »Mir scheint, ich bin sicherer allein als in Gesellschaft eines Herrn, der die Nächte außerhalb des Hauses zubringt. Ihre Begleitung, mein Herr viveur , würde nur meinem Ruf schaden. Habe ich nicht recht, Madame Bourdon? Außerdem, da ich unglücklicherweise keine Nymphe bin, ist meine Toilette nicht geeignet für die Nähe eines Quellengeistes, wie Sie, Monsieur Hümmelle, es in diesem Augenblick sind. Allez vite vous mettre à sec , gewinnen Sie so rasch als möglich Ihr gewohntes Element zurück, das Trockene. Bonjour et au revoir! «
    Tante Amélie sah ihr entzückt nach. »So graziös schwatzt und läuft sie,« sagte sie neidlos anerkennend. Dann nahm sie ihr wollenes Umschlagetuch ab, achtlos auf die Enthüllung eines umfangreichen Hängebusens, der nur mühsam durch eine gestrickte Corsage gebändigt war, hob sich auf den Zehen und wickelte sorgfaltig ihren langen blonden Gast ein, beide Arme. Heinrich ließ sich bündeln wie ein Kind.
    »Sie sind doch die Beste von allen, Tante Amélie.« Er gab ihr, sich vorbeugend, einen Kuß auf die Wange.
    Sie strahlte. » Ah les jeunes gens! Aber nun rasch ins Bett, sonst haben wir morgen die schönste Erkältung!«
    »Einen Augenblick noch!« Camille Bourdon stellte sich an die Tür. Er rieb sich verlegen die

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