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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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Mit einer Lebhaftigkeit, die Dank für das gespendete Vergnügen bedeuten sollte, schilderte er launig den Markt zu Sulz, das Tanzen, dann den Unfall, Hummels Expedition zum Bauer Justin, das »souper sur l'herbe« , sein eigenes Lautenspiel und Singen, von dem er entzückt war, und Victor Hugos leichten Rausch. Er ahmte nach und half mit beiden Händen, die anderen sekundierten, man regte einander zur Heiterkeit auf, eine Zufriedenheit darstellend, die bei den wenigsten echt war. Blanc kam nun auch hinzu, Françoise holte einen Krug Wein und Gläser, nur Lucile wurde zu Bett geschickt. »Kleine Mädchen trinken keinen Wein.«
    Hortense begleitete sie hinauf, um nach der kleinen Désirée zu sehen, die oben schlief. Dort fand sie einen Brief aus Belfort von ihrem Mann. »Ich bete Dich an,« schrieb er, »sag' doch, was soll ich tun. Deine Verzeihung noch einmal zu erhalten? Ich liebe ja nur Dich. Das weißt Du, femme digne que tu es , die immer meine Irrtümer so gütig vergessen konnte.« Hortense seufzte und sah auf die Kleine, die ihm glich. Sie hätte sie am liebsten geweckt, denn dann hatte sie Martin Baldes gute schwarze Augen. Sie dachte an das Kind, das sich in ihr bildete, von ihrem Blute genährt, und das nachher vielleicht als ein zweiter Armand Dugirard von ihr geboren werden würde. Fremde, welsche Art! Mit schweren Füßen ging sie hinab.
    Inzwischen ließ Lucile sich im Gastzimmer von der alten Louisen zur Nacht die Locken wickeln. Sie sah dabei in den Spiegel. »Diese Elsässer sind ohne Herz,« sagte sie, »und sie wissen nicht, sich zu benehmen. Aber dennoch finde ich es zum Entzücken hier in der Provinz. Die jungen Mädchen im Elsaß haben es gar nicht nötig, sich zu verheiraten, sie haben schon jetzt ihre Freiheiten.«
    » Oui, malheureusement! « Eine Rachel hätte das nicht mit mehr Tragik ausrufen können«
    »Was mich betrifft,« fuhr Lucile nachdenklich fort, »ich werde, zurückgekehrt nach Paris, Mama bitten, mich recht schnell zu verheiraten.«
    »Und warum, mon cœur?«
    »O, dann werde ich Monsieur Hümmelle einladen, mich zu besuchen. Und, wenn es nicht Monsieur Schlotterbach sein sollte, den man mir zum Mann gibt, auch ihn.«
    Die Alte nahm sie in ihre Arme und küßte sie zärtlich auf Gesicht und Schultern.
    Lucile schloß die Augen. Sie dachte an Hummel und Victor Hugo.
    Unten im Wohnzimmer war inzwischen in den gespielten Übermut ein politisches Gespräch hineingewachsen. Blanc brachte aus der »Krone« die Zeitungsnotiz eines Mülhauser Blattes, der Herzog von Gramont habe erklärt, ein Preuße auf dem spanischen Thron, das sei ein feindliches Banner, das man an Frankreichs Grenzen aufpflanzen würde, eine fortwährende Beleidigung Preußens gegen Frankreich. Eine solche Beleidigung aber dürfe nicht geduldet werden.
    Balde ging im Zimmer auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt, Blanc, von der anderen Zimmerseite kommend, folgte seinem Beispiel. Bei jeder Begegnung blieben die beiden Männer einen Augenblick stehen und tauschten ihre Meinungen aus.
    »Ich bin überzeugt,« sagte Balde, »diese Zeitungsartikel sollen nur zum Sondieren dienen. Man möchte eine Erklärung Süddeutschlands hervorrufen, daß es sich im Falle eines Krieges gegen Preußen mit uns verbünden will. Darauf wartet man, ehe man stärkere Hetzereien ins Werk setzt.«
    »Sie haben recht, Schwager, das Ganze ist Ministerarbeit. Frankreich selbst will nicht den Krieg, auch der Kaiser kann ihn jetzt nicht wollen. Eingeweihte wissen, daß er schwer nierenkrank ist. Er würde nicht imstande sein, zu Pferde zu steigen.«
    »Und Frankreich macht sich lächerlich vor ganz Europa, wenn es um einer dynastischen Höflichkeitsfrage willen, diekeinerlei Volksinteressen berührt, sich in ungereimten Drohungen ergeht.«
    Jetzt mischte sich Dugirard ein. »Die Angelegenheit ist doch nicht so unbedeutend, meine Herren, wie sie Ihnen erscheint. Sie hier oben am Rhein haben sich vielleicht an die lästige Umklammerung Preußens bereits gewöhnt, wenn es aber seine täppische Bärenumarmung nun auch an den Pyrenäen versuchen möchte, dann allerdings hat man die Pflicht, sich mit allen Kräften dagegen zu wehren.«
    »Jedenfalls«, sagte Frau Balde vom Sofa her, »jedenfalls würde es für die Minister schwer sein, dem französischen Volke gegenüber die Verantwortung zu übernehmen für ihre Streitsucht.«
    Sie hielt Françoises heiße, zuckende Hand in der ihren. Der Maire sah sich verwundert um, er war es nicht

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