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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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und ernsthaft stand er daneben und gab acht, daß alles wieder in den vorigen Zustand kam, dann wurde ein zartes Papier genommen und der Schal dahineingehüllt. Er trug das Paketchen behutsam im Armewie ein kleines Kind. Brigitte mußte ihn erst darauf aufmerksam machen, daß sein Frühstück im Gartenhäuschen auf ihn warte, er wäre sonst sogleich davongestürzt. Onkel Camille ließ sich nicht sehen. Er habe sich wieder ins Bett gelegt, berichtete die Magd. Auch Tante Amélie sah er nur von weitem, sie trennte und nähte an ihrem schwarzseidenen Kleide für die Kirchenfeier übermorgen. Es würde eine Prozession um die Kirche herum geben, rief sie ihm zu, alle Kinder weiß und ein paar junge Mädchen.
    Im Gartenhäuschen trank er stehend. Es mißfiel ihm zwischen den Erinnerungen von gestern. Dann las er fromm ein paar welke Lindenblüten von seinem Kragen, setzte sich den Hut sehr gerade auf und ging unter Seligkeit und Herzklopfen zum Hause hinaus. Da fiel gleich sein Blick auf ein paar große weiße Zettel unter der Rathaushalle. Er ging hin und las nun folgende Bekanntmachungen, die in deutscher und französischer Sprache abgefaßt waren:
    »Es wird eingeladen so bald als möglich die Ernte zu beenden.«
    »Die beurlaubten Soldaten der Land- und Meer-Armee sind durch dieses aufgefordert, sich zu ihren Truppenkörpern zurückzubegeben.«
    »Es wird den Landwirten des Kreises aufgegeben, alle militärtüchtigen Pferde sogleich nach Kolmar auf den Champ de Mars zum Ankauf zu entsenden.«
    Das sah bedenklich aus! Heinrich ging weiter den Platz entlang bis zur kleinen Post. An der Kaserne lungerten noch immer tatenlos die Soldaten herum ohne Erlaubnis sich zu entfernen. Die Order vom vorigen Abend war widerrufen worden. Die Leute sahen gelb und unzufrieden aus. Überhaupt erschien ganz Thurwiller an diesem Morgen übernächtig. Die wenigen Menschen, die sich schon aus ihren Betten herausgefunden hatten, standen verdrießlich herum, die Kinder, denen man für die morgige Feier schon letzten Abend Locken mit Zuckerwasser gewickelt hatte, waren gleichfalls zu kurz gekommen und gähnten zänkisch umeinander. Unter ihnen war der kleine Charles aus der Post. »Sie schlafen noch,« sagte er zu Heinrich,der an der Tür klinkte. Da er ratlos stand, rief ihn die Briefausträgerin an, die mit leerer Tasche auf Abfertigung wartete. »Ich will ein Telegramm aufgeben,« sagte Heinrich. Sie begriff zuletzt und riet ihm, die Botschaft aufzuschreiben und unter dem leise klaffenden Fensterchen hindurchzuschieben. Charles, verständnisvoll, brachte das Papierschiffchen herbei, das er im Regenfaß schwimmen ließ, faltete es auseinander und gab es hin. Aber Hummel zog ein Blatt aus seinem Notizbuch diesem nassen, zerknitterten Papierstückchen vor. »Ist meine Heimkehr sofort erwünscht?« schrieb er unter die Adresse seines Onkels, des Majors von Bassewitz in Erfurt. Dann sah er zufällig sein Schiffchen an. Wieder ein blauliniertes Schulheft und wieder die Handschrift Monsieur Cerfs. Das Konzept für eine französische Rede oder einen Artikel.
    »Man muß die gute Gelegenheit benutzen, um Preußen dahin zu bringen, daß es in Zukunft nicht mehr zu fürchten ist. Das wenigste, was man verlangen müßte, wäre die Freiheit der süddeutschen Staaten, die Räumung der Festung Mainz, die zum Süden gehört. Werden uns solche Garantien nicht gewährt, so können unsere Forderungen nur immer größer werden.«
    Dann kam noch: »Welch lebhaftes Interesse aber auch die äußere politische Konstellation Frankreichs in diesem Augenblicke bietet, der elsässische Bürger kann und darf darüber seine inneren Landesangelegenheiten nicht vernachlässigen. Er darf nicht vergessen, daß die Wahlen bevorstehen!«
    Hummel las das mit gesammeltem Gesicht, ebenso wie er seine Depesche geschrieben hatte. Etwas unzerstörbar Frohes war in ihm heute morgen, das wollte nichts wissen von Gefahr oder gar Hindernissen. Mit gleichmäßigen Schritten ging er seinen Weg zum Baldehaus.
    » Tiens, c'est vous? « Blanche de la Quine kam Seite an Seite mit Monsieur Cerf die Wallpromenade herab.
    »Ah, Sie wollen die lieben Baldes besuchen? Vielleicht die arme Hortense trösten, weil ihr Mann sich schlagen wird? Auch die chère Françoise wird traurig sein, ihren neuen Freund gleich wieder zu verlieren. Ich sprach eben davon zu meinemFreunde hier, Monsieur Cerf, er meint wie ich, daß alle, denen Ihre Sicherheit teuer ist, Monsieur Hümmelle, dafür sorgen müssen,

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