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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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hier besucht hat, den Erzherzog Ferdinand. Heimlich. Denn seine Sippe wollt' von der mésalliance nichts wissen. Sie hat drübe im Benediktinerkloster logiert. Du entsinnst dich wohl? Augenblicklich nennen sie's die maison centrale . Ja, ja.«
    »Heimlich haben sie geheiratet?« Françoise betrachtete die schwarze, rauhe Truhe mit sinnenden Augen.
    Der Alte nickte. »Warte mal, Kind. Ich habe da noch so ein altes Glas, am Fuße ist es ein wenig zersprungen. Daraus haben sie getrunken, die zwei.«
    Er zündete ein vertropftes Licht an, das in einer Flasche auf dem Schreibtisch stand. Seine Bewegungen waren fast jugendlich geworden. Leise strich er beim Vorbeigehen mit seiner feinrunzeligen Hand über Françoises Haar. Sie stand auf, ihm behilflich zu sein. Aber er hatte schon gefunden: einen altersdunklen Glaskelch. Geschäftig brachte er aus der Ofenröhre eine leicht gestöpselte Flasche Obstwein hervor und wollte einschenken. Françoise wehrte lachend ab. Sie zog ihr weißes Tüchelchen aus der Tasche und wischte das Glas erst aus. Père Anselme schenkte ein, beide Ellbogen feierlich hochgehoben.
    »Die Deutschen stoßen mit ihren Gläsern zusammen«, sagte er, »und wünschen sich etwas dazu, wenn sie miteinander trinken.«
    Sie nahm das Glas.
    »Auf den Frieden,« sagte sie.
    Nun trank auch er. Dann nickte er still. »Frieden, der kommt aus uns selbst.«
    Seine Löckchen schimmerten, die guten, blauen Augen sahen auf Françoise, als blickten sie auf alle ihre Geheimnisse. Esdurchschauerte sie ehrfürchtig vor dem alten Männchen im verfleckten Rocke.
    Und unter seinen Augen formte sich ihr Heinrichs Bild immer typisch deutscher. Jede Vorzeit Deutschlands gab ihm ihre besten Züge mit und machte ihn so immer vollkommener und würdiger aller Liebe. Sie warf nun auch den Gedanken weit von sich, dem sie erst wohl nachgehangen, ihn hierher nach dem Elsaß hinüberzuziehen. Sie konnte es ihm nicht zumuten, fühlte sie jetzt, im Lande der Sieger zu leben. Zu ihm hinüber wollte sie ziehen, in sein Deutschland hinein. O, sie würde sich schon hineinfinden in das fremde Land. Sie hatte dann ja ihn. Und sie würde gut sein zu den Leuten drüben, sie würde ihnen ein bißchen Kultur hinüberbringen, Geschmack, Leichtigkeit. Sie malte sich aus, wie sie sich kleiden müsse, um diesen Leuten ein Vorbild zu sein, wie sich die Haare arrangieren, und errötete dann in dem Gefühl, sie könne mit solchen Gedanken ihrem deutschen Heinrich oberflächlich erscheinen. So wie seine Landsleute sich immer die Franzosen vorzustellen pflegten! Und sie wollte doch auch darin zu ändern versuchen, soweit ihre Macht reichte.
    Wäre es nur erst so weit!
    Zu Hause fand sie ihre Schwester beim Lesen eines Briefes von Armand. Kapitän Dugirard schrieb kurz und schlechtgelaunt: »Wir haben noch keinen Preußen zu Gesicht bekommen. Das ist langweilig, und es ist gefährlich. Unsere Leute verlieren ihren élan, sie verlieren den Gehorsam; eine Tugend, die nie sehr stark bei ihnen war. Dazu die neuernannten jungen Offiziere, die sich nicht in Respekt zu setzen verstehen und alles verderben. Unsere Leute verschwinden und kommen wieder nach ihrem Gefallen. Man darf ihnen kein Wort sagen, sonst muß man befürchten, bei dem nächsten Marsch eine Mirabelle in den Rücken zu erhalten. Sie langweilen sich, auch sie, die armen Teufel. Das Schlimmste aber sind die Biskuits, die unser Déjeuner bilden. Es gibt die dicken, viereckigen, die man nicht beißen kann. Wir lösen sie in Wasser auf, und die runden, die man trocken genießt. Aber man bekommt Durst danach.«Zuletzt kam noch eine Nachschrift: »Eben eine gute Nachricht, aber eine sehr gute: die französische Flotte hat Berlin blockiert.« Hortense machte eine ungeduldige Bewegung. »Ah, der Unwissende, als ob Berlin am Meere läge!« Sie schämte sich vor Françoise.
    Aber die streichelte ihr nur tröstend die Hand. »Hast du große Sorge um ihn?«
    Und dann kam es, wie jetzt schon immer zwischen ihnen, sie hielten sich an den Händen und dachten hinaus in den Kampf, jeder zu einer anderen Seite hin. – –
     
    Auch in den nächsten Tagen feierte man noch. Kein Mensch arbeitete, die »enfants de la patrie« verstummten nicht mehr. Heute rieselte ein dünner Regen. Trotzdem stand schon wieder der Kirchplatz voll Menschen. Man wartete. Irgendeine Neuigkeit lag in der Luft. Die Zeitungen waren nicht angelangt, aber man wußte, es ging etwas vor là-bas .
    Bei Wissembourg wurde gekämpft. »Ein kleines

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