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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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gestorben. Aber ich kann noch immer für meine Schwester sorgen – auch wenn sie das nicht will. Ich habe bereits mit Grant darüber gesprochen, und er findet, dass es eine gute Idee ist.«
    »Was?« Ich war entsetzt. Seit einer Woche verkosteten Elizabeth und ich zwölf Stunden am Tag Trauben. Ich konnte mir nicht vorstellen, wann sie die Zeit gehabt haben wollte, mit Grant zu sprechen.
    »Er braucht uns, Victoria. Und Catherine auch. Ihr Haus ist fast so groß wie unseres – der Platz reicht für uns alle.« Ich schüttelte den Kopf, erst langsam, dann immer schneller, als ich begriff, was sie da vorschlug. Mein Haar umflatterte meine Ohren und traf meine Nase. Sie wollte, dass wir bei Catherine einzogen. Elizabeth verlangte von mir, bei der Frau zu wohnen, die mein Leben kaputt gemacht hatte, und zu helfen, sie zu pflegen.
    »Nein«, sagte ich, sprang auf und ging auf Abstand zu ihr. »Du kannst ja hinziehen. Ich nicht.«
    Als ich sie ansah, hatte sie sich abgewandt, und meine Worte schwebten zwischen uns.

6.
    I ch wollte Elizabeth.
    Ich wollte, dass sie mich in den Armen hielt wie damals zwischen den Reben und mir mit derselben gründlichen und sanften Bewegung das nassgeschwitzte Gesicht und die Schultern abwischte, mit der sie meine von Dornen durchbohrten Hände gereinigt hatte.
    Aber sie war unerreichbar.
    Und selbst wenn es möglich gewesen wäre, sie zu erreichen, wäre sie nicht gekommen.
    Unvermittelt erbrach ich mich in die Spüle und rang nach Luft. Zum Atmen blieb keine Zeit. Die Wehen trafen mich wie eine Wasserwand, und ich war sicher, dass ich ertrinken würde. Ich griff zum Telefon und wählte die Nummer des Flora. Renata war am Apparat. Trotz meines verzweifelten Keuchens bemerkte ich an ihrem Tonfall, dass sie verstanden hatte. Sie knallte den Hörer auf.
    Wenige Minuten später stand sie im Wohnzimmer. Ich war auf allen vieren ins blaue Zimmer zurückgekrochen. Meine Füße ragten aus der niedrigen Tür. »Gut, dass du angerufen hast«, meinte Renata. Ich zog die Füße ein, bis ich zu einer Kugel zusammengerollt auf der Seite lag. Als Renata ins Zimmer schauen wollte, machte ich ihr die Tür vor der Nase zu.
    »Ruf deine Mutter an«, sagte ich. »Sie muss herkommen und dieses Baby aus mir rausholen.«
    »Das habe ich schon«, erwiderte Renata. »Und sie war ganz in der Nähe. Wahrscheinlich mit Absicht. Sie hat in diesen Dingen ein Frühwarnsystem. Sie muss jede Minute hier sein.«
    Ich schrie auf und wälzte mich auf Hände und Knie.
    Mutter Rubina war da, ohne dass ich sie hatte hereinkommen hören, und zog mich aus. Ihre Hände waren überall auf und in meinem Körper, doch das kümmerte mich nicht. Sie würde das Baby herausholen, und ich war zu allem bereit, was sie dazu tun musste. Wenn sie ein Messer zutage gefördert hätte, um mich an Ort und Stelle aufzuschlitzen, es hätte mich nicht gestört.
    Sie legte den Arm um mich und hielt mir einen Pappbecher mit Strohhalm an die Lippen. Ich trank etwas Kaltes und Süßes. Danach wischte sie mir mit einem Lappen die Mundwinkel ab.
    »Bitte«, flehte ich. »Bitte. Hol es einfach raus. Ganz egal, wie.«
    »Du machst das schon«, antwortete sie. »Du bist die Einzige, die dieses Baby herausholen kann.«
    Das blaue Zimmer brannte. Eigentlich ist Wasser nicht entflammbar, aber ich ertrank und verbrannte gleichzeitig. Ich konnte
     nicht atmen. Ich konnte nicht sehen. Es gab weder Luft noch einen Ausgang.
    »Bitte«, japste ich mit überschnappender Stimme.
    Mutter Rubina kauerte im blauen Zimmer. Ihre Augen waren auf einer Höhe mit meinen, unsere Stirnen berührten sich. Sie legte meine Arme um ihre Schultern, und ich stemmte mich von den Knien auf die Füße, als könnte sie mich aus dem brennenden Wasser ziehen. Doch sie bewegte sich nicht. Wir lagen auf dem Boden, und sie lauschte.
    »Das Baby kommt«, verkündete sie. »Du bringst es zur Welt. Nur du kannst es tun.«
    In diesem Moment verstand ich, was sie mir sagen wollte. Ich begann zu weinen und kläglich zu stöhnen. Diesmal gab es kein Entrinnen. Ich konnte nicht davonlaufen, nicht einfach gehen, anstatt mich dem zu stellen, was ich getan hatte. Es gab nur einen Weg auf die andere Seite, und der führte durch die Schmerzen.
    Endlich kapitulierte mein Körper. Ich hörte auf, mich zu sträuben, und das Baby glitt – quälend langsam – den Geburtskanal hinunter und in Mutter Rubinas wartende Arme.

7.
    E s war ein Mädchen. Meine Tochter wurde, nur sechs Stunden nachdem die

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