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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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stand. Elizabeth reagierte sofort auf meinen Tonfall, drehte sich um und hastete auf den Rand des Schattens zu. Sie glitt in die Dunkelheit hinein und wieder hinaus, bis sie mich erreicht hatte. Der Mond beleuchtete die wenigen silberfarbenen Haare, die sich an ihren Schläfen kräuselten. Im Schatten wirkte ihr Gesicht wie eine Ansammlung von Winkeln und Linien, betont von zwei weichen, runden Augen.
    »Hier«, sagte ich. Mein Herz klopfte hörbar. Ich streckte ihr eine Weintraube entgegen, rieb die Frucht an meinem feuchten T-Shirt blank und hielt sie ihr wieder hin.
    Elizabeth nahm die Traube und sah mich an. Ihr Mund öffnete und schloss sich. Sie kaute einmal, spuckte Kerne aus, kaute, schluckte und kaute wieder. Ihre Miene veränderte sich. Die Anspannung verschwand, und der Zucker der Traube schien ihre Haut zu versüßen. Sie errötete mädchenhaft, lächelte und zog mich in ihre starken Arme, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Meine gewaltige Leistung breitete sich in der Luft um uns herum aus, bis sie uns einhüllte und schützend in die Blase unserer gemeinsamen Freude einschloss. Stolz und strahlend lehnte ich mich an Elizabeth und schlang ihr die Arme um die Taille. Meine Füße blieben reglos, mein Herz raste.
    Sie hielt mich auf Armeslänge von sich und schaute mir in die Augen. »Ja«, meinte sie. »Endlich.«
    Seit fast einer Woche suchten wir nun schon nach der ersten reifen Traube. Durch einen plötzlichen Temperaturanstieg war der Zuckergehalt so rasch gestiegen, dass es unmöglich war, die Tausende von Pflanzen richtig einzustufen. In ihrer Unruhe hatte Elizabeth begonnen, mich herumzuhetzen, als sei ich ihre verlängerte Zunge. Viele Hektar wurden links liegengelassen, während Elizabeth und ich uns aufteilten, Reihe um Reihe durchwanderten, Trauben auslutschten, Schalen kauten und Kerne ausspuckten. Elizabeth gab mir einen spitzen Stock. Vor jede Rebe, von der ich gekostet hatte, musste ich ein O oder ein X in den Boden kratzen, ihre Symbole für Sonne und Schatten, gefolgt von meiner Einschätzung des Zucker- und Tanningehalts. Ich fing an der Straße an: O 71/5. Dann ging es weiter hinter die Wohnwagen: X 68/3. Und schließlich war der Hügel über dem Weinkeller dran: O 72/6. Elizabeth war viele Quadratkilometer entfernt beschäftigt, kehrte jedoch nach einer Weile zu meinem Bereich zurück, verkostete jede zweite oder dritte Reihe und verglich das Ergebnis mit meinen Aufzeichnungen.
    Sie hätte nicht an meinen Fähigkeiten zu zweifeln brauchen. Das wusste sie jetzt. Als sie mich auf die Stirn küsste, stellte ich mich auf die Zehenspitzen. Zum ersten Mal seit Monaten fühlte ich mich gewollt und geliebt. Elizabeth setzte sich an der Hügelseite hin und zog mich an sich. So saßen wir zusammen da und beobachteten schweigend, wie der Mond aufging.
    Da wir ganz und gar mit der bevorstehenden Ernte beschäftigt waren, hatten wir Grants Warnung beinahe vergessen. Wir hatten keine Zeit gehabt, an Catherine oder ihre Drohung zu denken. Nun, inmitten reifer Trauben und vibrierend vor Liebe zu Elizabeth und zum Weinberg, erinnerte ich mich an seine Worte. Plötzlich wurde mir unbehaglich.
    »Machst du dir Sorgen?«, fragte ich.
    Elizabeth antwortete nicht. Ihre Miene war nachdenklich. Bevor sie zu sprechen begann, wandte sie sich mir zu, strich mir die Fransen aus den Augen und streichelte meine Wange. Sie nickte. »Ja, um Catherine«, sagte sie. »Nicht um den Weinberg.«
    »Warum?«
    »Meiner Schwester geht es nicht gut«, erwiderte sie. »Grant hat es zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber das brauchte er auch nicht. Er hatte eine Todesangst. Das würdest du wissen, wenn du sein Gesicht gesehen und außerdem meine Mutter gekannt hättest.«
    »Was soll das heißen?« Ich verstand nicht, was Elizabeths verstorbene Mutter mit Catherines derzeitigem Zustand oder Grants ängstlicher Miene zu tun haben sollte.
    »Meine Mutter war psychisch krank«, erklärte Elizabeth. »In ihren letzten Lebensjahren habe ich es nicht einmal geschafft, sie zu besuchen. Ich habe mich zu sehr gefürchtet. Sie erkannte mich nicht mehr. Oder sie erinnerte sich an etwas Schreckliches, das ich getan hatte, und gab mir die Schuld an ihrer Krankheit. Es war entsetzlich. Dennoch hätte ich sie nicht im Stich lassen und Catherine die ganze Last aufbürden dürfen.«
    »Was hättest du sonst tun sollen?«, erkundigte ich mich.
    »Mich um sie kümmern. Jetzt ist es natürlich zu spät. Sie ist vor knapp zehn Jahren

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