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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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Doch es gab sonst nichts zu sagen. Also steckte ich das Blatt in einen Umschlag, klebte ihn zu und adressierte und frankierte ihn. Auf den Briefmarken, die ich gekauft hatte, war eine gelb-weiße Osterglocke –
Neuanfang
 – auf rotem Hintergrund abgebildet. Goldene Buchstaben wünschten Glück zum chinesischen Neujahrsfest. Elizabeth würde das nicht entgehen.
    Rasch lief ich zur Straßenecke, hob den schweren Deckel des Briefkastens an und schob den Brief hinein, bevor ich Zeit hatte, es mir anders zu überlegen.

2.
    E ines Nachmittags im September saß ich in meinem großen, leeren Büro auf dem Klappstuhl, kontrollierte aus Gewohnheit die alphabetische Ordnung meiner Karten und wartete auf das Brautpaar. Die beiden würden zwar erst im nächsten April heiraten, hatten aber darauf bestanden, mich schon jetzt zu treffen. Die Braut wollte alles – von der Farbe der Gedecke bis hin zum Text des Liedes für den ersten Tanz – auf die Auswahl der Blumen abstimmen. Ich hatte zwar im Laufe der Jahre mit zahlreichen Bräuten zu tun gehabt, doch Musik und Blumen miteinander in Einklang zu bringen war sogar für mich etwas Neues. Ich freute mich nicht auf diese Besprechung.
    Ich sah auf die Uhr. Viertel vor fünf. In einer Viertelstunde würden meine Kunden erscheinen. Zeit, um Tee zu kochen. Ich trank ausschließlich einen starken Chrysanthementee, den ich in Chinatown kaufte. Die Blüten entfalteten sich und schwammen in der dunklen Flüssigkeit. Eine hübsche Note für meine Sitzungen. Meine Kunden rechneten inzwischen fest damit.
    In der Küche machte ich eine Kanne Tee und trank eine Tasse, bevor ich wieder nach unten ging. Die Braut war eingetroffen und saß auf den Stufen vor den Glastüren. Sie war allein und blickte die Straße entlang. An ihrem steifen Rücken erkannte ich ihre Ungeduld. Ihr Verlobter war entweder zu spät dran oder kam gar nicht. Das war ein schlechtes Vorzeichen für eine Hochzeit, und Bräute wussten das. Vor längerem hatte ich begriffen, dass mein geschäftlicher Erfolg davon abhing, dass ich nur Hochzeiten von Paaren betreute, deren Ehe auch Bestand haben würde. Daher hatte ich bereits mehr als einmal ein Paar abgewiesen, das zu spät kam oder sich beim Betrachten der Karten angiftete.
    Ich stellte das Tablett ab und ging zur Tür. Ich presste die Handflächen gegen die Glastür und hielt ruckartig inne. Draußen quietschten Bremsen. Im nächsten Moment raste ein alter grauer Pick-up an meiner Tür vorbei. Elizabeth saß am Steuer. Am Stoppschild an der steilen Ecke rollte der Pick-up erst rückwärts und verschwand dann den Hügel hinauf. Ich machte kehrt, rannte nach oben in Natalyas ehemaliges Schlafzimmer, wo ich mich unter dem Fenster hinkauerte, und wartete darauf, dass der Pick-up zurückkam.
    Nur knapp fünf Minuten später war er wieder da. Elizabeth hatte beim Bergabfahren weniger Mühe als bergauf. Einen Sekundenbruchteil später war sie um die Ecke gebogen und nicht mehr zu sehen. Ich nahm zwei Stufen auf einmal und ging hinaus. Die Braut auf der Vortreppe stand auf, als sie mich sah.
    »Tut mir leid«, sagte sie rasch. »Er muss jeden Moment hier sein.«
    Doch er würde nicht kommen. Ihre Entschuldigung klang einstudiert, so als nehme sie ihren Verlobten schon seit Monaten oder Jahren mit dieser Ausrede in Schutz.
    »Nein«, entgegnete ich. »Wird er nicht.« Vielleicht lag es am Chrysanthementee, aber ich wollte plötzlich, dass sie die Wahrheit erfuhr. Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber mein Gesichtsausdruck ließ sie innehalten.
    »Sie kümmern sich also nicht um unsere Blumen, richtig?«, fragte sie. Die Frau wandte sich ab, sie kannte die Antwort bereits. Sie würde zu Renata gehen; alle taten das. Renata hatte als Einzige das gleiche Blumenwörterbuch wie ich. Als wir mehr Aufträge erhielten, als wir annehmen konnten, hatte ich Marlena gebeten, für Renata eine Kopie des Wörterbuches anzufertigen. Täglich schickten wir Kunden zum Flora.
    Ich ging den Hügel hinauf und sah, dass Renata mir von oben entgegenkam. Wir trafen uns in der Mitte, so wie Grant und ich damals an dem Nachmittag, an dem er mir die Jonquille gebracht hatte. Sie hatte einen hellrosafarbenen Umschlag in der Hand. Mit zitternden Fingern nahm ich ihn entgegen. Dann setzte ich mich auf den Randstein und legte den Umschlag auf meinen Schoß. Renata ließ sich neben mir nieder.
    »Wer ist sie?«, erkundigte sie sich.
    Der Umschlag auf meinem Schoß fühlte sich heiß an, so dass ich

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