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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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ihn zwischen uns auf dem Gehweg deponierte. Ich betrachtete die Linien meiner leeren Handflächen, als suchte ich nach der Antwort auf Renatas Frage.
    »Elizabeth«, erwiderte ich leise.
    Wir schwiegen. Renata hakte nicht nach, doch als ich aufblickte, zeigte sich noch immer Ratlosigkeit in ihrem Gesicht, als hätte ich nichts gesagt. Wieder musterte ich meine Hände. »Sie wollte meine Mutter sein.«
    Renata schnalzte mit der Zunge und ließ den Kopf sinken. Mit einem kurzen Fingernagel stocherte sie an einem funkelnden Stück Metall im Beton herum, aber es lockerte sich nicht. »Und?«, meinte sie. »Was hast du getan?«
    Eine Frage wie diese hätte auch von Meredith kommen können, nur dass sie bei Renata mehr interessiert als vorwurfsvoll klang.
    »Ich habe ein Feuer gelegt.«
    Zum ersten Mal sprach ich diese Worte laut aus. Bei dem Bild, das dabei entstand, stieg mir ein Kloß in der Kehle hoch. Ich kniff die Augen zusammen.
    »Meine kleine Zündlerin«, sagte Renata. Sanft legte sie ihren Arm um meine Schulter und zog mich zu sich hin. »Warum wundert mich das nicht?«
    Ich sah sie an. Sie lächelte zwar nicht, aber ihr Blick war warm. »Und?«, fragte ich. »Warum nicht?«
    Renata strich mir eine Haarsträhne aus den Augen, ihre Finger streiften meine Stirn. Ihre Haut war weich. Ich lehnte mich an sie, mein Ohr war an ihre Schulter gepresst, so dass ihre Worte abgedämpft wurden. »Erinnerst du dich noch an den Morgen, als wir uns kennengelernt haben?«, fragte Renata. »Du hast auf meiner Treppe gestanden und Arbeit gesucht, und ein paar Stunden später bist du mit einem Beweis deines Könnens zurückgekommen. Du hast mir die Blumen gegeben wie eine Entschuldigung, obwohl du gar nichts falsch gemacht hattest und obwohl der Strauß so vollkommen war, wie ich es bei einem Wildblumenstrauß noch nie erlebt hatte. Mir war sofort klar, dass du dich wertlos fühlst. Dass du glaubst, einen unverzeihlichen Makel an dir zu haben.«
    Ich hatte diesen Morgen noch deutlich vor Augen und wusste, wie sehr ich befürchtet hatte, sie könnte die Wahrheit über meine Obdachlosigkeit und meine Vergangenheit herausfinden. »Warum hast du mich dann eingestellt?«, sagte ich.
    Renata drehte sich zu mir um und legte mir die Hand auf den Wangenknochen. Sie griff nach meinem Kinn und drehte mein Gesicht
     zu sich um. Ich schaute ihr in die Augen.
    »Denkst du wirklich, du wärst der einzige Mensch auf der Welt, der einen unverzeihlichen Makel mit sich herumträgt? Der so verletzt worden ist, dass er beinahe daran zerbrochen wäre?«
    Sie sah mich eindringlich an. Als sie die Augen senkte, wurde mir klar, dass sie verstanden hatte: Ja, ich dachte tatsächlich, ich sei die Einzige. »Ich hätte jemand anderen beschäftigen können. Jemanden, der vielleicht weniger Gepäck mit sich herumträgt oder es besser verbergen kann. Doch niemand hätte so viel Talent für Blumen gehabt wie du, Victoria. Es ist wirklich eine Gabe. Wenn du mit Blumen arbeitest, veränderst du dich völlig. Dein Kiefer lockert sich. Deine Augen sind vor Konzentration ganz glasig. Deine Finger hantieren so sanft und respektvoll mit den Blumen, dass man dir niemals Gewalttätigkeit zutrauen würde. Ich werde nie vergessen, wie sehr mir das am ersten Tag aufgefallen ist. Als ich beobachtet habe, wie du in der Werkstatt Sonnenblumen arrangiert hast, hatte ich den Eindruck, ein anderes Mädchen vor mir zu haben.«
    Ich kannte das Mädchen, von dem sie sprach. Es war dasselbe, auf das ich im Spiegel der Umkleidekabine nach einem knappen Jahr in Elizabeths Haus einen Blick hatte erhaschen dürfen. Vielleicht hatte dieses Mädchen ja doch irgendwo in mir überlebt, bewahrt wie eine getrocknete Blume, brüchig und duftend.
    Renata griff nach dem Umschlag und schwenkte ihn zwischen uns durch die Luft.
    »Soll ich?«, fragte sie.

3.
    A ls der Hammer auf die Richterbank schlug, pustete ich die weißen baumwollartigen Knospen, die ich nebeneinander aufgereiht hatte, vom Tisch. Sie verteilten sich auf dem Boden des Gerichtssaals. Elizabeth stand auf.
    Die Blumen hatten bei meiner Ankunft auf meinem Platz gelegen, ein Gewirr von Schleierkraut –
immerwährende Liebe
 –, das sich in der polierten Tischplatte spiegelte. Weiche runde Bäusche, abgebildet im glatten Holz. Sie fühlten sich unter meinen Fingerspitzen steif und trocken an, so als hätte Elizabeth sie für unseren ersten Gerichtstermin gekauft, bevor die Anhörung wieder und wieder vertagt worden war.

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