Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
Moskau?«
»Zwei Jahre.« Lena war eine erfahrene Dame, doch Cortes’ zynisch-prüfenden Blick empfand sie doch als aufdringlich und zupfte nervös an ihrem Morgenmantel.
»Und was machen Sie so?«
»Ich bin Model«, verkündete die Frau und legte den Kopf in den Nacken.
»Professionell oder hobbymäßig?«
»Professionell. Sie sind nicht gerade sehr taktvoll, Herr … ähm …«
»Kapitän.«
Die Blondine stolzierte zur Minibar, nahm eine ihrer Meinung nach verführerische Pose ein und schenkte sich aus einer bereits geöffneten Flasche Sekt ein.
»Männer neigen eben zur Grobheit«, sinnierte die Frau, und in ihrer Stimme schwang ein lasziver Tonfall. »Andererseits ist das ein Zeichen von Stärke. Und starke Männer gefallen mir, Kapitän.«
Sie nippte an ihrem Sektglas, dessen Rand sich dabei mit rotem Lippenstift färbte, und lächelte dem Söldner zu.
»Mit Ihren Papieren ist alles in Ordnung?«, erkundigte sich Cortes, der gelangweilt in seinen Zähnen stocherte. »Wurden Sie schon mal vorgeladen? Wegen Prostitution zum Beispiel?«
Das Profimodel sah Cortes entrüstet an und verließ wortlos den Raum.
»Ich bin so weit«, verkündete Juschlakow, der kurz darauf hereinkam.
»Gut, gehen wir.«
»Ich bin bald wieder da, Schatz!«, rief der Fotograf, als er mit Cortes die Wohnung verließ.
Der Schatz antwortete nicht.
Als Juschlakow unten den Land Cruiser sah, schaute er Cortes argwöhnisch an.
»Ein schöner Wagen.«
»Nichts Besonderes«, erwiderte der Söldner. »Vier Räder, ein Lenkrad, Bremse und Scheinwerfer.«
»Ihr Dienstwagen?«, wunderte sich der Fotograf.
»Nein, der gehört mir privat«, gab Cortes unumwunden zu und berührte Juschlakow dabei wie zufällig mit den Fingern am Hals.
Zum Abschied hatte ihm Bidjar Hamzi eine Sprühdose Morpheusstaub verkaufen wollen, ein hervorragendes Betäubungsmittel, dass die Erli-Mönche für die Anästhesie verwendeten, doch er hatte abgelehnt. Im Umgang mit Menschen blieb Cortes lieber seinen professionellen Gewohnheiten treu.
Er packte den bewusstlosen Fotografen unter den Achseln, verfrachtete ihn auf den Rücksitz des Geländewagens, setzte sich ans Steuer und fuhr ohne Eile davon.
Moskauer Polizeipräsidium
Moskau, Petrowka-Straße
Mittwoch, 28. Juli, 10:54 Uhr
Seit einer halben Stunde bewegten sich die Aktivitäten der Sonderermittler am Rande des Müßiggangs. Waskin blätterte lustlos in der Zeitung, Schustow schlürfte einen Kaffee nach dem anderen, und Kornilow studierte die Akten aus dem Archiv.
Schustows Bekannte hatte bereits die ersten Ordner vorbeigebracht und versprochen, bis zum Abend noch mehr zu besorgen. Wie sich herausstellte, gab es mehr als genug mysteriöse, polizeilich dokumentierte Begebenheiten in Moskau.
»In der Nacht zum 27. Juli wurden aus der Asservatenkammer die Beweismittel gestohlen, die nach der Schießerei am Lenin-Prospekt sichergestellt worden waren. In derselben Nacht verschwanden auch die Leichname, die vom selben Tatort stammten, aus der Pathologie. Das diensthabende Wachpersonal kann sich die Vorfälle nicht erklären. Es wurden interne Ermittlungen angeordnet.«
Diesen rätselhaften Vorfall kannte Kornilow bereits. Der Nächste war ihm neu:
»8. Februar. Der Geschädigte I. G. Fedortschuk, von Beruf Förster, gab an, dass er in einer Allee des Parks Lossiny Ostrow von einem Ungeheuer, das entfernt an eine Frau erinnerte, überfallen worden sei. Als Beweis für seine Angaben zeigte der Geschädigte drei Risswunden an seinem Rücken vor. Die Streifenbeamten, die daraufhin an den Ort des mutmaßlichen Geschehens fuhren,
konnten indes nichts Verdächtiges feststellen. Das anhand der Beschreibung von I. G. Fedortschuk angefertigte Phantombild löste bei den Sachverständigen Zweifel am Geisteszustand des Geschädigten aus. Letzterer bestand jedoch auf seiner Darstellung und erklärte sich überdies zu einer gerichtspsychiatrischen Begutachtung bereit. I. G. Fedortschuk wurde einstweilen ins Forstamt Podolsk versetzt.«
Völlig rätselhaft war auch der nächste Fall:
»Die Rentnerin A. A. Schischkina, geboren 1931, wandte sich an die Polizeiinspektion Koptjewski mit der Anzeige, sie habe ihre langjährige Nachbarin, die im Jahre 1970 völlig unerwartet verstorben war, auf der Straße erkannt. Die Nachbarin, mit der Schischkina seit 1956 Tür an Tür wohnte, habe sich seit ihrem Ableben äußerlich nicht verändert, obwohl sie bei nüchterner Betrachtung längst in ihrem Grab
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