Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
»Einer meiner Söldner ist schon drin.«
»Drin? Wie schön. Aber wo genau?«, erkundigte sich Metscheslaw.
»Das werden wir gleich feststellen.«
Der Naw zog ein goldenes Medaillon aus der Sakkotasche, auf dessen Deckel ein Eichhörnchen mit einer
Nuss abgebildet war. Er öffnete es und nahm vorsichtig ein einzelnes, schwarzes Haar heraus.
»DNA-Fernfahndung?!«, fragte de Geer.
Santiago nickte.
»Kriegt Lubomir das nicht mit?«
»Nein. Der magische Impuls wird extrem schwach und kurz sein.«
Fast unhörbar murmelte der Kommissar des Dunklen Hofs einen Zauberspruch, dann ratschte das Zündrad seines Feuerzeugs. Das Haar fing sofort Feuer und verglomm zu einem dunkelgrauen Wölkchen, in das Santiago angestrengt hineinstarrte.
»Und?«, flüsterte Metscheslaw ungeduldig.
»Im vorletzten Stockwerk.« Das Wölkchen löste sich auf, und der Kommissar wandte sich seinen Verbündeten zu. »Wir haben die exakten Koordinaten.«
»Dann mal los!«, drängte der Baron und machte einen entschlossenen Schritt nach vorn. »Der Bote sitzt in der Falle.«
»Einen Augenblick Geduld noch, mein Freund«, bremste ihn Santiago und drehte sich zu de Geer um. »Kapitän, es wäre gut, wenn Sie mit Ihren Leuten Genaueres über die beiden letzten Etagen in Erfahrung bringen könnten. Vielleicht finden Sie einen Gebäudeplan oder so etwas in der Art. Ich muss in der Zwischenzeit einen Anruf machen.«
Der Baron rollte genervt die Augen nach oben und seufzte, doch er wollte keinen Streit mit dem Nawen anzetteln. Der Kommissar ging einige Meter beiseite und zückte sein Mobiltelefon.
»Wir sind am Zielort, Fürst. Halten Sie sich bereit.«
»Gute Arbeit, Santiago.«
»Verbindlichsten Dank, Fürst.«
Wenige Minuten später kam de Geer mit seinen Rittern zurück und breitete eine Zeichnung auf der Motorhaube seines Lincoln aus.
»Ein Gebäudeplan«, erläuterte der Tschud. »Den hat mir der hiesige Wachdienst geschenkt.«
»Und, was haben Sie herausgefunden?«
»Vor einem halben Jahr hat eine Firma die obersten drei Etagen angemietet. Die Mieter schotten sich völlig gegen die Außenwelt ab. Die drittletzte Etage steht offenbar leer.«
»Das ergibt durchaus Sinn«, befand der Kommissar, während er kopfnickend den Plan studierte. »Es gibt zwei Möglichkeiten, um nach oben zu gelangen: durchs Treppenhaus oder mit dem Aufzug.«
»Der Aufzug ist leider außer Betrieb«, berichtete de Geer missmutig. »Es bleibt also nur die Treppe.«
»Was gibt es denn da zu überlegen?«, erhitzte sich Metscheslaw. »Wir stürmen die Bude und töten alle, die drin sind.«
»So einfach geht das nicht«, widersprach der Kommissar. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass in der vorletzten Etage Wachen postiert sind und der Bote ganz oben logiert. Wir würden zu viel Zeit verlieren, bis wir zu ihm vordringen.«
»Ach was«, blaffte der Lud. »Mit den Rothauben machen wir kurzen Prozess.«
»Lubomir ist ein mächtiger Zauberer«, gab Santiago
zu bedenken. »Wenn wir ihm zu viel Zeit zum Reagieren geben, würde er sofort die Initiative übernehmen und uns in Schwierigkeiten bringen. Unser Angriff muss sich unmittelbar gegen ihn richten und einige von uns müssen so lange die Rothauben in Schach halten.«
»Vielleicht könnten wir übers Dach einsteigen?«, spekulierte de Geer.
»Mit Überfällen auf Dächern kennt sich Lubomir aus«, stichelte der Kommissar. »Darauf ist er bestimmt vorbereitet.«
»Jaja, schon recht«, knurrte der Tschud etwas verschnupft. »Weißt du was Besseres?«
»Ich könnte ein Portal in die letzte Etage einrichten«, verkündete Santiago bescheiden.
»Warum sagst du das nicht gleich?«, rief de Geer begeistert. »Das löst doch unser Problem.«
»Nicht ganz«, bedauerte der Naw. »Die Erzeugung eines großen Portals würde zu viel Zeit und Energie beanspruchen. Der Zauberer würde es bemerken und Gegenmaßnahmen ergreifen. Deshalb müssen wir uns auf ein kleines Portal beschränken. Das hat den Vorteil, dass es blitzschnell aufgebaut werden kann. Der Nachteil ist, dass ich nur einen von Ihnen beiden mitnehmen kann.«
»Ich werde dich begleiten«, verfügte Metscheslaw entschlossen. »Das musst du akzeptieren, Franz. Ich habe dort oben noch eine Rechnung zu begleichen.«
»Okay, okay«, fügte sich der Kapitän mit erhobenen Händen. »Und was machen wir?«
»Ihr dringt übers Treppenhaus vor und liquidiert die Wache«, ordnete Santiago an.
»Fünfundzwanzig Stockwerke zu Fuß?!« Der Tschud blickte nach oben
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