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Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung

Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung

Titel: Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Panov
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gewesen.
    »Erstens: Lass dich nie wieder in Uniform blicken.«
    »Jawohl, Herr Major«, blökte Waskin dienstfertig.
    »Zweitens: Hier gibt’s keinen Herrn Major, du bist hier nicht in der Armee.«
    »Wie darf ich Sie denn anreden?«, fragte der Leutnant verlegen.
    »Denk dir irgendwas aus, du warst doch nicht umsonst auf der Akademie.«
    »Darf ich Sie mit Patron ansprechen?«
    »Meinetwegen«, beschied Kornilow großmütig. »Palytsch! «
    »Ja, Andrej Kirillowitsch«, erwiderte der Fahrer, ohne von seiner Zeitung aufzuschauen.
    »Wenn wir hier fertig sind, fährst du den Studenten nach Hause, damit er sich umziehen kann.«
    »Und Sie?«
    »Ich fahre mit Schustow zurück.« Kornilow wies mit
einer Kopfbewegung auf den etwas weiter vorn geparkten, schwarzen 9er Lada seines Stellvertreters und öffnete die Seitentür. »Komm mit, Student, wir schauen mal, was hier los ist.«
    »Jawohl, Patron«, murmelte der Leutnant schmallippig, als er aus dem Wolga stieg.
    Die Anrede »Student« passte ihm überhaupt nicht, und er schwor sich, dass er beizeiten dagegen protestieren würde. Abgesehen davon hatte Waskin allen Grund zur Zufriedenheit, denn man musste schon ein ausgesprochener Glückspilz sein, um direkt von der Schulbank zu Kornilow zu gelangen, in die Sonderermittlungsgruppe des städtischen Polizeipräsidiums. Auf der Polizeiakademie – und nicht nur dort – galt Andrej Kornilow als lebende Legende. In Polizeikreisen war der Major landesweit bekannt. Kein ungelöster Fall in den vier Jahren, seit es die Sonderermittlungsgruppe gab, und die Goldene Dienstmarke, persönlich überreicht vom Präsidenten, sprachen für sich.
    Das Bild, das sich Waskin im Vorfeld von dem charismatischen Helden der Moskauer Polizei gemacht hatte, hätte aus einem Kinofilm stammen können: wache Augen, alles durchdringender Blick, schmale, zusammengepresste Lippen, raue Kommandeursstimme, groß gewachsene, athletische Figur, natürlich ein Achselholster und darin – versteht sich – eine … nein, keine Makarow, eher eine Browning High Power oder etwas in der Art.
    Von der harten Realität indes wurde dieses idealisierte Bild geradezu pulverisiert. Das Erste, was Waskin zu sehen bekam, als er am gestrigen Tag das Büro der Ermittlungsgruppe
betrat, war tatsächlich das Achselholster gewesen. Leer und völlig verstaubt hing es an einem Haken an der Tür. Kornilow selbst erwies sich als klein gewachsener, ausgesprochen schmächtiger Typ, der in einem zerknitterten, grauen Anzug steckte. Sein spärliches, farblich undefinierbares Haar war zerzaust, und der verschlafene Blick, mit dem er die Welt oder zumindest Waskin betrachtete, wirkte hochgradig gelangweilt. Nachdem er dem Leutnant eine unartikulierte Begrüßung zugeraunt hatte, verabschiedete er sich alsbald zu einer dienstlichen Besprechung und ließ seinen neuen Mitarbeiter mit der Empfehlung zurück, er möge sich ins Kollektiv einfügen. Das tat Waskin bis Dienstschluss, fuhr dann nach Hause, und wurde um sechs Uhr morgens von einem Telefonanruf aus dem Schlaf gerissen: Der Major gedachte, ihn zu einem Einsatz mitzunehmen.
     
    Der Tatort war mit rotweißem Warnband abgesperrt. Davor parkten die Fahrzeuge der Einsatzkräfte: der Jeep der Polizeistreife, Kornilows Wolga, der Kleintransporter der Spurensicherung und Schustows Lada sowie der zuletzt eingetroffene städtische Leichenwagen. Jenseits der Absperrung, unterhalb der Straßenböschung, herrschte bereits reges Treiben, doch Kornilow hatte keine Lust, sich selbst hinunterzubemühen. Er trat ohne Eile seine Zigarettenkippe aus und ging, begleitet von dem in heller Aufregung befindlichen Waskin, zu den Streifenbeamten hinüber, die an ihrem blauweißen Jeep lehnten und phlegmatisch in die Morgensonne linsten.

    »Habt ihr die Leiche gefunden?«, erkundigte sich Kornilow zerstreut, während er in sämtlichen Sakkotaschen nach seiner Sonnenbrille tastete.
    »Jawohl!«, meldete der Sergeant vorschriftsmäßig und nahm hastig stramme Haltung an.
    Der Major schüttelte mitleidig den Kopf. Seit er Sanja Puschkin nicht nur verhaftet, sondern wegen vorsätzlichen Mordes lebenslänglich hinter Gitter gebracht hatte, war seine Autorität bei der Polizei in beinahe religiöse Verehrung umgeschlagen.
    »Bleiben Sie locker, Sergeant.« Endlich fand er die Sonnenbrille und schob sie sich auf die Nase. »Wann war das?«
    »Um fünf Uhr vierunddreißig haben wir die Mitteilung erhalten, dass sich im Straßengraben ein verdächtiges Objekt

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