Die verborgene Wirklichkeit
unumstritten ein Landschafts-Multiversum entsteht. Trotz aller Behauptungen des Gegenteils würde eine solche Theorie, die nachdrücklich durch Experimente und Beobachtungen gestützt wird und deren innere Struktur zwangsläufig ein Multiversum bedingt, uns zu der unumgänglichen Schlussfolgerung führen, dass es Zeit zum »Nachgeben« ist. w
Um also auf die Frage in der Überschrift dieses Abschnitts zurückzukommen: Ergeben sich aus unseren Forschungen geeignete wissenschaftliche Befunde, dann wäre es nicht nur wissenschaftlich gerechtfertigt, ein Multiversum zu postulieren; es nicht zu tun, wäre sogar ein Zeichen für unwissenschaftliche Vorurteile.
Wissenschaft und das Unzugängliche II: So weit das Prinzipielle – wo stehen wir in der Praxis?
Skeptiker werden nun zu Recht erwidern: Prinzipiell zu erläutern, wie die Begründung für eine bestimmte Multiversums-Theorie aussehen könnte , ist das eine. Ganz etwas anderes ist jedoch die Frage, ob eine der beschriebenen Überlegungen zum Multiversum als experimentell bestätigte Theorie durchgehen kann, die in der Lage ist, andere Universen zweifelsfrei vorauszusagen. Ist das der Fall?
Das Patchwork-Multiversum ergibt sich aus einer unendlichen räumlichen Ausdehnung, einer Möglichkeit, die voll und ganz zur Allgemeinen Relativitätstheorie passt. Der Haken dabei ist nur, dass die Allgemeine Relativitätstheorie
zwar eine unbegrenzte räumliche Ausdehnung zulässt, sie aber nicht erfordert ; das wiederum ist die Erklärung dafür, dass das Patchwork-Multiversum ein unbewiesener Erklärungsversuch bleibt, obwohl die Allgemeine Relativitätstheorie ein allgemein anerkanntes System darstellt. Eine unendliche räumliche Ausdehnung erwächst unmittelbar aus der immerwährenden Inflation – wie gesagt: von innen betrachtet, scheint jedes Blasenuniversum unendlich groß zu sein –, aber das Patchwork-Multiversum wird in diesem Szenario unsicher, weil die zugrunde liegende Annahme von der immerwährenden Inflation eine Hypothese ist.
Die gleiche Überlegung gilt für das inflationäre Multiversum, das ebenfalls aus der immerwährenden Inflation erwächst. In den letzten zehn Jahren haben astronomische Beobachtungen das Vertrauen der Physiker in die kosmische Inflation zwar erhöht, jedoch keinen Anhaltspunkt dazu geliefert, ob die inflationäre Expansion ewig andauert. Wie man aus theoretischen Studien weiß, sind viele Versionen zwar ewig und liefern ein Blasenuniversum nach dem anderen, andere bestehen dagegen nur aus einem einzigen, ballonartig expandierenden Kosmos.
Die Branen-, zyklischen und Landschafts-Multiversen wurzeln in der Stringtheorie und sind bereits deshalb mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet. So bemerkenswert die Stringtheorie auch sein mag, insbesondere angesichts der Reichhaltigkeit an mathematischen Strukturen, die sie inzwischen aufweist: Der Mangel an überprüfbaren Vorhersagen und die damit verbundene Losgelöstheit von Beobachtungen oder Experimenten verbannt sie in den Bereich wissenschaftlicher Spekulation. Zumal wir, da die Theorie gerade erst entwickelt wird, noch nicht wissen, welche ihrer Aspekte bei zukünftigen Überarbeitungen die Hauptrolle spielen werden. Werden die Branen, auf denen das Branen- und das zyklische Multiversum beruhen, weiterhin im Mittelpunkt stehen? Werden die vielfältigen Möglichkeiten für zusätzliche Dimensionen und damit die Grundlagen des Landschafts-Multiversums Bestand haben, oder werden wir irgendwann ein mathematisches Prinzip finden, das aus der Vielfalt eine bestimmte Form herausgreift? Wir wissen es einfach nicht.
Es ist also durchaus vorstellbar, dass wir irgendwann eine überzeugende Argumentation für eine Multiversums-Theorie werden konstruieren können, die wenig bis gar nichts mit dem Umstand zu tun hat, dass die Theorie andere Universen vorhersagt. Aber bei den Szenarien, die wir bisher kennengelernt haben, sind wir lange noch nicht soweit. Zu ihrer Beurteilung müssen wir uns daher direkt mit dem Multiversum beschäftigen, dessen Existenz sie vorhersagen.
Ist das möglich? Kann eine Theorie, die andere Universen postuliert, selbst dann überprüfbare Vorhersagen liefern, wenn diese Universen außerhalb der
Reichweite von Experimenten und Beobachtungen liegen? Versuchen wir einmal, diese entscheidende Frage schrittweise zu beantworten. Dabei beschreiten wir den zuvor beschriebenen Weg von einer »prinzipiellen« zu einer »praktischen« Perspektive.
Vorhersagen in einem
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