Die verborgene Wirklichkeit
eine Multiversums-Theorie zu überprüfbaren Aspekten führt, die über die Vorhersage anderer Universen hinausgehen, ist es – zumindest im Prinzip – selbst dann möglich, überzeugende Argumente für die Richtigkeit der Theorie zu sammeln, wenn die anderen Universen unzugänglich bleiben. Die gerade genannten Beispiele zeigen,
wie das konkret funktionieren könnte. Für solche Multiversums-Theorien wäre die Frage, die diesem Abschnitt als Überschrift dient, eindeutig zu bejahen.
Derartige »Vorhersage-Multiversen« haben das entscheidende Merkmal, dass sie nicht aus einer bunten Mischung von Einzeluniversen bestehen. Die Möglichkeit, Vorhersagen zu treffen, erwächst vielmehr daraus, dass das Multiversum eine zugrunde liegende mathematische Gesetzmäßigkeit erkennen lässt: Entweder ist die Verteilung physikalischer Eigenschaften unter den Einzeluniversen sehr einseitig, oder es gibt starke Korrelationen.
Wie kann es dazu kommen? Und wenn wir den Bereich des »im Prinzip« verlassen: Kommt es in den Multiversums-Theorien, die wir bereits kennengelernt haben, auch dazu?
Vorhersagen im Multiversum II: So weit das Prinzipielle – wo stehen wir in der Praxis?
Die Verteilung der Hunde in einer Region hängt von einer ganzen Reihe von Einflüssen ab, darunter kulturelle und finanzielle Faktoren sowie der gute alte Zufall. Wenn wir die Absicht haben, statistische Vorhersagen zu treffen, lassen wir wegen dieser Vielschichtigkeit alle Überlegungen darüber, wie es zu einer bestimmten Hundeverteilung kam, beiseite und bedienen uns einfach der einschlägigen Daten der örtlichen Hundesteuerstelle. Für Multiversums-Szenarien gibt es leider keine vergleichbaren Ämter, das heißt, eine analoge Möglichkeit steht nicht zur Verfügung. Wir sind vielmehr gezwungen, uns auf unsere theoretischen Kenntnisse darüber zu verlassen, wie ein bestimmtes Multiversum entstehen könnte, und mit ihrer Hilfe die Verteilung der Universen zu ermitteln, die es enthalten würde.
Eine gute Fallstudie ist das Landschafts-Multiversum, das auf der immerwährenden Inflation und der Stringtheorie beruht. Die beiden Triebfedern, die für die Produktion neuer Universen sorgen, sind in diesem Szenario die inflationäre Expansion und das Quantentunneln. Erinnern wir uns noch einmal, wie das funktioniert: Ein Universum, das sich aufbläht und diesem oder jenem Tal in der String-Landschaft entspricht, tunnelt durch einen der umgebenden Berge und kommt in einem anderen Tal zur Ruhe. Das erste Universum – mit seinen eindeutigen Merkmalen wie Kräften, Teilcheneigenschaften, dem Wert der kosmologischen Konstante und so weiter – enthält anschließend die expandierende Blase des neuen Universums (siehe Abbildung 6.7 ) mit neuen physikalischen Eigenschaften, und der Prozess setzt sich fort.
Da es sich dabei um einen Quantenprozess handelt, lassen sich für die Tunnelereignisse nur Wahrscheinlichkeiten angeben. Wann oder wo sie sich abspielen werden, lässt sich nicht vorhersagen. Wir können aber Aussagen über die Wahrscheinlichkeit treffen, dass ein Tunnelereignis in einem bestimmten Zeitraum und in einer bestimmten Richtung abläuft – solche Wahrscheinlichkeiten hängen von den einzelnen Merkmalen der String-Landschaft ab, beispielsweise von der Höhe der verschiedenen Berggipfel und Täler (das heißt vom Wert ihrer jeweiligen kosmologischen Konstante). Wahrscheinlichere Tunnelereignisse spielen sich häufiger ab, und das spiegelt sich in der daraus entstehenden Verteilung verschiedener Universen wider. Die Strategie besteht demnach darin, mithilfe der mathematischen Gesetzmäßigkeiten von kosmischer Inflation und Stringtheorie die Verteilung der Universen mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften im Landschafts-Multiversum zu berechnen.
Der Haken dabei ist, dass dies bisher noch niemandem gelungen ist. Unsere derzeitigen Kenntnisse lassen auf eine üppige String-Landschaft mit einer ungeheuer großen Zahl von Bergen und Tälern schließen, und das erschwert es mathematisch außerordentlich, die Eigenschaften des so entstehenden Multiversums im Einzelnen zu analysieren. Trotz wichtiger Pionierarbeiten von Kosmologen und Stringtheoretikern stehen die Forschungsarbeiten noch ganz am Anfang. 5
Um voranzukommen, sprechen sich die Anhänger des Multiversums dafür aus, der Mischung ein weiteres wichtiges Element hinzuzufügen. Man betrachtet die Selektionseffekte, die im vorangegangenen Kapitel erläutert wurden:
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