Die verborgene Wirklichkeit
Multiversum ermitteln können. Diese Informationen könnten uns zu bedeutenden Erkenntnissen verhelfen.
Um uns die Möglichkeiten vor Augen zu führen, nehmen wir an, unsere Berechnungen würden zu einer besonders einfachen Verteilung führen: Manche physikalischen Merkmale sind von einem Universum zum nächsten sehr unterschiedlich, andere dagegen verändern sich nicht. Die mathematischen Überlegungen könnten beispielsweise zu dem Ergebnis führen, dass es bestimmte Sorten von Teilchen gibt, die allen Universen im Multiversum gemeinsam sind und
überall die gleiche Masse und elektrische Ladung haben. Eine solche Verteilung ermöglicht vollkommen sichere Vorhersagen. Wenn wir mit Experimenten, die wir in unserem eigenen, einsamen Universum anstellen, eine solche vorhergesagte Ansammlung von Teilchen nicht finden, könnten wir die betreffende Theorie einschließlich des Multiversums und aller anderen Bestandteile ausschließen. Kenntnisse über die Wahrscheinlichkeitsverteilung machen diese Vorstellung von einem Multiversum also falsifizierbar. Stoßen wir umgekehrt in unseren Experimenten auf die vorhergesagten Teilchen, wächst unsere Zuversicht, dass die Theorie stimmt. 4
Ein anderes Beispiel: Stellen wir uns ein Multiversum vor, in dem der Wert der kosmologischen Konstante innerhalb eines breiten Spektrum variieren kann, dies aber höchst uneinheitlich tut, wie es in Abbildung 7.1 schematisch dargestellt ist. Das Diagramm zeigt den Anteil der Universen im Multiversum (senkrechte Achse), in denen die kosmologische Konstante einen bestimmten Wert hat (waagerechte Achse). Wenn wir Teil eines solchen Multiversums sind, nimmt das Rätsel der kosmologischen Konstante einen ganz anderen Charakter an. In diesem Szenario liegt die kosmologische Konstante der meisten Universen ganz in der Nähe des Wertes, den wir für unser Universum gemessen haben; während also das Spektrum möglicher Werte sehr groß ist, lässt die einseitige Verteilung darauf schließen, dass der von uns beobachtete Wert nichts Besonderes ist. In einem solchen Multiversum sollte die Feststellung, dass die kosmologische Konstante unseres Universums einen Wert von 10 – 123 hat, ebenso wenig rätselhaft erscheinen wie die Begegnung mit einem 31 Kilo schweren Labrador Retriever während des nächsten Spaziergangs in unserem Wohnviertel. Angesichts der jeweils geltenden Verteilung ist es in beiden Fällen das Wahrscheinlichste, was geschehen kann.
Das Thema lässt sich noch variieren. Stellen wir uns vor, dass der Wert der kosmologischen Konstante in einer bestimmten Version des Multiversums von Universum zu Universum stark variiert, dass aber im Gegensatz zum vorherigen Beispiel alle möglichen Werte gleich wahrscheinlich sind, die Zahl der Universen mit einem bestimmten Wert der kosmologischen Konstante also ebenso groß ist wie die Zahl der Universen mit einem anderen Wert. Stellen wir uns aber außerdem vor, dass eine eingehende mathematische Untersuchung der vorgeschlagenen Multiversums-Theorie bei der Verteilung einen unerwarteten Aspekt aufdeckt: Universen mit einer kosmologischen Konstante in dem von uns beobachteten Bereich gehen, so zeigen die mathematischen Überlegungen, immer mit einer Teilchenspezies einher, deren Masse beispielsweise 500 Mal so groß ist wie die des Protons – damit wäre sie so schwer, dass man sie mit den Teilchenbeschleunigern
aus dem zwanzigsten Jahrhundert nicht beobachten konnte, während mit Teilchenbeschleunigern, wie sie im 21. Jahrhundert errichtet wurden und werden, gute Chancen bestehen. Wegen des engen Zusammenhangs zwischen den beiden physikalischen Aspekten ist diese spezielle Multiversums-Theorie ebenfalls falsifizierbar. Wenn wir die vorhergesagte schwere Teilchenspezies nicht entdecken, hätten wir diese Vorstellung von einem Multiversum widerlegt; eine Entdeckung des Teilchens dagegen würde unsere Zuversicht stärken, dass unser Modell stimmt.
Abbildung 7.1 Eine mögliche Verteilung für die Werte der kosmologischen Konstante in einem hypothetischen Multiversum. Man erkennt, wie eine stark einseitige Verteilung Beobachtungen, die ansonsten rätselhaft wären, verständlich werden lässt.
Ich möchte unterstreichen, dass es sich hier um hypothetische Szenarien handelt. Ich führe sie an, weil sie prinzipielle Möglichkeiten illustrieren, wie uns ein Multiversums-Modell wissenschaftliche Erkenntnisse bescheren und wie es sich überprüfen lassen könnte. Ich habe es zuvor bereits formuliert: Wenn
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