Die verborgene Wirklichkeit
befindet, bilden sich relativ wenige Klumpen, weil der auswärts gerichtete Einfluss der kosmologischen Konstante wie ein starker Wind wirkt und die meisten Staubansammlungen wieder zerstreut. Liegt die kosmologische Konstante dagegen in der Nähe der Untergrenze null, können sich viele Klumpen bilden, weil der zerstörerische Einfluss der kosmologischen Konstante gering ist. Demnach besteht eine große Chance, dass man sich in einem Universum befindet, dessen kosmologische Konstante nahezu null beträgt, denn in einem solchen Universum gibt es eine Vielzahl von Galaxien und, so der Gedankengang, damit auch Leben. Sehr viel geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich in einem Universum befindet, dessen kosmologische Konstante an der Obergrenze von rund 10 – 121 liegt, denn solche Universen sind mit weitaus weniger Galaxien ausgestattet. Und die Wahrscheinlichkeit, sich in einem Universum zu befinden, dessen kosmologische Konstante irgendwo zwischen den Extremwerten angesiedelt ist, ist mäßig.
Diesen Überlegungen folgend berechneten Weinberg und seine Kollegen die Wahrscheinlichkeit der kosmischen Entsprechung zu einer Begegnung mit einem 31 Kilo schweren Labrador auf einem Spaziergang durch das Wohnviertel – das heißt den Wert der kosmologischen Konstante, den der durchschnittliche Beobachter im Multiversum zu sehen bekäme. Die Antwort? Der Wert ist ein wenig höher als das Ergebnis, das die späteren Messungen an den Supernovae erbrachten, hat aber ungefähr die gleiche Größenordnung. Nach ihren Befunden hätte rund einer von zehn bis einer von zwanzig Bewohnern des Multiversums ein Erlebnis, das mit unserem vergleichbar wäre, das heißt, sie würden für die kosmologische Konstante in ihrem Universum einen Wert von ungefähr 10 – 123 messen.
Ein höherer Prozentsatz wäre zwar angenehmer gewesen, das Ergebnis ist aber dennoch beeindruckend. Vor dieser Berechnung stand die Physik vor einer Kluft von mehr als 120 Zehnerpotenzen zwischen Theorie und Beobachtung, was stark darauf schließen ließ, dass unser Wissensstand einen grundsätzlichen
Fehler enthielt. Weinberg und seine Mitarbeiter dagegen konnten mit ihrem Multiversums-Ansatz zeigen, dass unser Dasein in einem Universum, dessen kosmologische Konstante im Einklang mit dem gemessenen Wert steht, ungefähr ebenso überraschend ist wie eine Begegnung mit dem Shih Tzu in einem Wohnviertel, in dem Labrador Retriever die Mehrheit bilden. Oder, anders gesagt: Es ist eigentlich gar nicht so überraschend. Aus Sicht des Multiversums lässt der beobachtete Wert für die kosmologische Konstante also nicht auf eine grundsätzliche Wissenslücke schließen, und das ist ein ermutigender Schritt in die richtige Richtung.
In späteren Analysen rückte allerdings ein interessanter Aspekt in den Mittelpunkt des Interesses, der nach manchen Interpretationen den Befund weniger stichhaltig macht. Weinberg und seine Mitarbeiter hatten sich der Einfachheit halber vorgestellt, dass in ihrem Multiversum nur der Wert der kosmologischen Konstante von einem Universum zum nächsten variiert; für die anderen physikalischen Parameter hatten sie feste Werte unterstellt. Wie Max Tegmark und Martin Rees jedoch zeigen konnten, verändert sich die Schlussfolgerung, wenn man sowohl für die kosmologische Konstante als auch beispielsweise für den Umfang der Quantenfluktuationen im frühen Universum unterschiedliche Werte für die einzelnen Universen unterstellt. Wie bereits erwähnt, sind diese Fluktuationen der ursprüngliche Ausgangspunkt für die Bildung von Galaxien: Winzige Quantenfluktuationen, die durch die inflationäre Ausdehnung gestreckt werden, lassen einen zufälligen Mischmasch von Regionen entstehen, in denen die Materiedichte ein wenig über oder unter dem Durchschnitt liegt. Die dichteren Regionen üben eine größere Gravitationsanziehung auf die Materie in ihrer Nachbarschaft aus und wachsen, bis sie sich schließlich zu Galaxien zusammenballen. Tegmark und Rees zeigten, dass größere ursprüngliche Materieansammlungen dem zerstörerischen, nach außen gerichteten Wirken der kosmologischen Konstante auch größeren Widerstand entgegensetzen, ganz ähnlich wie ein größerer Haufen Laub einer frischen Brise leichter widersteht als ein kleiner. Ein Multiversum, in dem sowohl die Größe der »Galaxiensamen« als auch der Wert der kosmologischen Konstante variieren, würde demnach Universen enthalten, in denen größere kosmologische Konstanten durch
Weitere Kostenlose Bücher