Die verborgene Wirklichkeit
Labrador Retrievern bevölkert ist, könnte uns ein Dobermann begegnen, also ein untypischer Hund. Die Unterscheidung zwischen einer falschen Multiversums-Theorie und einer richtigen Multiversums-Theorie, in der unser Universum untypisch ist, könnte sich als schwierig erweisen. 9
Um in dieser Frage Fortschritte zu erzielen, werden wir wahrscheinlich besser verstehen müssen, wie intelligentes Leben in einem Multiversum entsteht; vor dem Hintergrund solcher Kenntnisse könnten wir zumindest klären, inwieweit unsere eigene evolutionäre Entwicklungsgeschichte typisch verlaufen ist. Das ist natürlich eine schwierige Aufgabe. Bisher ist man bei den meisten anthropischen Überlegungen dem Thema durch Weinbergs Annahme aus dem Weg gegangen, dass die Zahl intelligenter Lebensformen in einem Universum proportional zur Zahl der darin enthaltenen Galaxien ist. Soweit wir wissen, setzt intelligentes Leben einen warmen Planeten voraus; das wiederum setzt einen Stern voraus, der in der Regel zu einer Galaxie gehört. Es gibt also guten Grund zu der Annahme, dass Weinbergs Ansatz funktionieren könnte. Da wir andererseits im Hinblick auf unsere eigene Entstehungsgeschichte nur über sehr rudimentäre Kenntnisse verfügen, bleibt dies aber nicht mehr als eine plausible Hypothese.
Um genauere Berechnungen anstellen zu können, müssen wir viel mehr über die Entwicklung intelligenten Lebens wissen.
Das dritte Hindernis ist einfach zu erklären, könnte sich aber auf lange Sicht als das hartnäckigste erweisen. Es hat mit der Unterteilung der Unendlichkeit zu tun.
Unterteilung der Unendlichkeit
Um das Problem zu verstehen, kehren wir noch einmal zu den Hunden zurück. Wenn wir in einem Wohnviertel leben, das von drei Labrador Retrievern und einem Dackel bevölkert ist, werden wir – wenn wir Komplikationen wie die Frage, wie häufig die Hunde ausgeführt werden, einmal außer Acht lassen – drei Mal häufiger einem Labrador als einem Dackel begegnen. Das Gleiche gilt, wenn es 300 Labrador Retriever und 100 Dackel gibt oder 3000 Labrador Retriever und 1000 Dackel oder drei Millionen Labrador Retriever und eine Million Dackel und so weiter. Wie steht es aber, wenn die Zahlen unendlich groß wären? Wie vergleicht man eine unendliche Zahl von Dackeln mit einer drei Mal unendlichen Zahl von Labrador Retrievern? Das hört sich an wie die gequälte Mathematik von Siebenjährigen, die sich gegenseitig überbieten wollen, dahinter steht aber eine ernsthafte Frage. Ist drei Mal Unendlichkeit mehr als die gute alte Unendlichkeit? Und wenn ja, ist sie drei Mal so groß?
Vergleiche, in denen unendlich große Zahlen eine Rolle spielen, sind von berüchtigter Schwierigkeit. Bei den Hunden auf der Erde stellt sich eine solche Schwierigkeit natürlich nicht, denn die Populationen dort sind endlich. Bei Universen jedoch, die zu bestimmten Multiversen gehören, kann das Problem sehr real werden. Ein Beispiel ist das inflationäre Multiversum. Betrachten wir das gesamte Stück Schweizer Käse aus der Sicht eines imaginären Außenstehenden, so erkennen wir, wie es immer weiter wächst und endlos neue Universen hervorbringt. Das ist die Bedeutung des »immerwährend« in der »immerwährenden Inflation«. Betrachten wir das Ganze von innen, so sehen wir außerdem, dass jedes Blasenuniversum selbst eine unendliche Zahl getrennter Bereiche enthält, die ein Patchwork-Multiversum ergeben. Wenn wir Vorhersagen treffen, müssen wir uns also zwangsläufig mit einer unendlichen Zahl von Universen auseinandersetzen.
Um die mathematische Herausforderung zu verstehen, stellen wir uns vor, wir würden bei der Spielshow Geh auf’s Ganze mitwirken und hätten einen ungewöhnlichen Preis gewonnen: eine unendlich große Sammlung von Umschlägen,
von denen der erste einen Euro, der zweite zwei Euro, der dritte drei Euro und so weiter enthält. Während die Zuschauer jubeln, schaltet der Moderator sich ein und macht uns ein Angebot. Entweder wir behalten den Preis, wie er ist, oder wir gestatten ihm, den Inhalt jedes Umschlags zu verdoppeln. Auf den ersten Blick scheint es auf der Hand zu liegen, dass wir das Angebot annehmen sollten. »Hinterher enthält jeder Umschlag doppelt so viel Geld wie vorher«, denken wir, »also muss das doch die richtige Entscheidung sein.« Hätten wir eine endliche Zahl von Umschlägen, wäre es tatsächlich die richtige Entscheidung. Fünf Umschläge mit einem Euro, zwei Euro, drei Euro, vier Euro und fünf Euro gegen
Weitere Kostenlose Bücher