Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
Vom Netzwerk:
komplexen Anordnung aus Bits – ausgehen und ihn nach genau festgelegten mathematischen Regeln in spätere Anordnungen überführen.
    Würden wir also eingehend die mathematischen Operationen untersuchen, die der Computer während Dr. Johnsons Vorführung ausgeführt hat, so würden wir in den mathematischen Ausdrücken den Tritt und das Abprallen seines Fußes ebenso sehen wie den Gedanken und die berühmte Formulierung »So widerlege ich es!« Verbindet man den Computer mit einem Monitor (oder einer
futuristischen Schnittstelle), so würde man sehen, dass die mathematisch choreografierten, tanzenden Bits Dr. Johnson und seinen Tritt hervorbringen. Wir sollten aber nicht zulassen, dass das Drum und Dran der Simulationen – die Computer-Hardware, die raffinierte Schnittstelle und so weiter – die entscheidende Tatsache vernebelt: Hinter der ganzen Technik steckt nichts anderes als Mathematik. Verändert man die mathematischen Regeln, spucken die tanzenden Bits eine andere Wirklichkeit aus.
    Nun, warum die Sache nicht zu Ende denken? Ich habe Dr. Johnson nur deshalb in eine Simulation versetzt, weil dieser Zusammenhang eine aufschlussreiche Brücke zwischen der Mathematik und Dr. Johnsons Wirklichkeit herstellt. Die eigentliche Aussage dieser Sichtweise lautet jedoch: Die Computersimulation ist ein entbehrlicher Zwischenschritt zwischen dem Erlebnis einer handfesten Welt und der Abstraktion mathematischer Gleichungen. Die Mathematik selbst enthält – durch die von ihr geschaffenen Zusammenhänge, die von ihr geknüpften Verbindungen und die von ihr verkörperten Umwandlungen – Dr. Johnson, und zwar sowohl seine Handlungen als auch seine Gedanken. Den Computer braucht man nicht. Die tanzenden Bits sind überflüssig. Dr. Johnson ist in der Mathematik . 8
    Wenn man sich erst einmal mit dem Gedanken angefreundet hat, dass Mathematik selbst mit ihrer inneren Struktur sämtliche Aspekte der Wirklichkeit verkörpern kann – empfindungsfähigen Geist, schwere Steine, heftige Tritte und verstauchte Zehen –, gelangt man zu der Vorstellung, dass auch unsere Wirklichkeit nichts anderes ist als Mathematik. Diesem Gedankengang zufolge ist alles, dessen wir uns bewusst sind – die Empfindung, dieses Buch in den Händen zu halten, die Gedanken, die man beim Lesen hat, die Pläne, die man für den Abend macht –, eine mathematische Erfahrung. Wirklichkeit ist gefühlte Mathematik.
    Natürlich erfordert eine solche Sichtweise einen begrifflichen Sprung, den sicher nicht jeder vollziehen mag; ich persönlich habe es noch nicht getan. Aber für diejenigen, die es geschafft haben, ist Mathematik nicht nur »da draußen«, sondern sie ist sogar das Einzige, was »da draußen« ist. Ein mathematisches Gedankengebäude, sei es in Form von Newtons Gleichungen, derer von Einstein oder irgendjemand anderem, wird nicht real, wenn physikalische Gebilde auftauchen, die es verkörpern. Mathematik – alle Mathematik – ist bereits real; eine Verwirklichung braucht sie nicht. Verschiedene Ansammlungen mathematischer Gleichungen sind verschiedene Universen. Das letztmögliche Universum ist demnach das Nebenprodukt einer solchen Sichtweise auf die Mathematik.
    Ein energischer Befürworter des letztmöglichen Multiversums ist Max Tegmark vom Massachusetts Institute of Technology (er nennt es die »Hypothese
des mathematischen Universums«). Zur Rechtfertigung seiner Ansichten führt er eine damit zusammenhängende Überlegung an. Die letztgültige Beschreibung des Universums sollte keine Begriffe erfordern, deren Bedeutung auf Erfahrungen oder Interpretationen des Menschen beruht. Die Wirklichkeit geht über unsere Existenz hinaus, und deshalb sollte sie nicht in einem grundsätzlichen Sinn von Ideen abhängen, die wir selbst erfunden haben. Nach Tegmarks Ansicht ist Mathematik – ein System von Operationen (beispielsweise Addition), die auf abstrakte Mengen von Objekten (beispielsweise die ganzen Zahlen) angewandt werden und verschiedene Beziehungen zwischen ihnen liefern (beispielsweise 1 + 2 = 3) – genau die richtige Sprache, um Aussagen zu formulieren, die nicht vom Menschen gefärbt sind. Aber worin kann sich dann ein mathematisches Gedankengebäude noch von dem Universum, das es abbildet, unterscheiden? Darauf antwortet Tegmark: in nichts. Gäbe es irgendeinen Aspekt, durch den sich die Mathematik vom Universum unterscheidet, wäre er nicht mathematischer Natur; ansonsten würde er in die mathematische Abbildung

Weitere Kostenlose Bücher