Die verborgene Wirklichkeit
einer vielfältigen Ansammlung von Multiversum-Kandidaten zu begegnen. Sie zu meiden ist schwieriger, als sie zu finden.
Vielleicht werden zukünftige Entdeckungen die Reihe der kopernikanischen Korrekturen in einem anderen Licht erscheinen lassen. Aus unserer derzeitigen Perspektive jedoch scheinen wir umso weniger im Mittelpunkt zu stehen, je mehr wir begreifen. Sollten die wissenschaftlichen Überlegungen, die in den vorangegangenen Kapiteln erörtert wurden, uns immer weiter und dringlicher Erklärungen auf der Grundlage von Multiversen nahelegen, so wäre dies ein natürlicher Schritt zur Vollendung der kopernikanischen Revolution, fünfhundert Jahre, nachdem sie begonnen hat.
Kann man wissenschaftliche Theorien, die ein Multiversum postulieren, überprüfen?
Die Vorstellung von einem Multiversum passt zwar genau zur Gesetzmäßigkeit der kopernikanischen Revolution, unterscheidet sich aber qualitativ von unseren früheren Abgängen von der Bühne der Zentralität. Dieses Mal postulieren wir Bereiche, die sich möglicherweise für immer unserer Fähigkeit entziehen, sie – entweder mit einer gewissen Genauigkeit oder in manchen Fällen auch ganz prinzipiell – zu überprüfen. Damit errichten Multiversen anscheinend beträchtliche
Hürden für die wissenschaftliche Erkenntnis. Unabhängig davon, wie man den Platz der Menschheit in der kosmischen Ordnung betrachtet, galt allgemein die Annahme, dass unserer Fähigkeit, durch vernünftiges Experimentieren, Beobachtung und mathematische Berechnungen zu immer tiefer reichenden Erkenntnissen zu gelangen, keine Grenzen gesetzt sind. Wenn wir aber Teil eines Multiversums sind, sollten wir uns vernünftigerweise darauf einstellen, dass wir im besten Fall etwas über unser eigenes Universum erfahren können, über unseren eigenen kleinen Winkel des Kosmos. Noch beunruhigender ist die Sorge, dass wir mit der Berufung auf ein Multiversum in den Bereich der nicht überprüfbaren Theorien eintreten könnten: Theorien, die nicht aussagekräftiger sind als Gute-Nacht-Geschichten, und alles, was wir beobachten, darauf zurückführen, »dass es eben einfach so ist«.
Wie ich jedoch bereits dargelegt habe, ist das Multiversums-Konzept vielschichtiger. Wir haben verschiedene Wege kennengelernt, auf denen eine Theorie, in der ein Multiversum vorkommt, überprüfbare Vorhersagen ermöglichen könnte. So dürften sich beispielsweise die einzelnen Universen, die ein Multiversum bilden, zwar beträchtlich voneinander unterscheiden, da sie aber aus einer gemeinsamen Theorie erwachsen, dürfte es auch Merkmale geben, die allen gemeinsam sind. Würde man diese Merkmale durch Messungen, die wir hier in dem einzigen für uns zugänglichen Universum vornehmen, nicht finden, wäre die betreffende Multiversums-Theorie widerlegt. Eine Bestätigung der Merkmale dagegen würde insbesondere dann, wenn sie uns zuvor noch nicht bekannt waren, das Vertrauen in den Wahrheitsgehalt der Theorie stärken.
Für den Fall, dass es keine gemeinsamen Merkmale aller Universen gibt, könnten Zusammenhänge zwischen physikalischen Eigenschaften eine weitere Kategorie überprüfbarer Vorhersagen darstellen. Ein Beispiel habe ich bereits erörtert: Wenn alle Universen, zu deren Teilchenzoo ein Elektron gehört, auch eine weitere, bisher nicht entdeckte Teilchenspezies enthalten müssten, würde ein Fehlschlag bei dem Versuch, diese speziellen Teilchen durch Experimente hier in unserem Universum zu finden, die betreffende Multiversums-Theorie falsifizieren. Eine Bestätigung würde wiederum unser Vertrauen in die Theorie stärken. Auch kompliziertere Korrelationen könnten ähnlich überprüfbare und falsifizierbare Vorhersagen ermöglichen, etwa die, dass Universen, zu deren Teilchenzoo alle bekannten Teilchen gehören (Elektronen, Myonen, Up-Quarks, Down-Quarks und so weiter), zwangsläufig eine neue Teilchenspezies enthalten müssen.
Fehlen solche engen Korrelationen, können auch bestimmte Variationen der physikalischen Merkmale von einem Universum zum anderen Vorhersagen
möglich machen. Die kosmologische Konstante beispielsweise könnte in einem Multiversum ein breites Spektrum verschiedener Werte annehmen; stimmt der Wert der kosmologischen Konstante jedoch in einer großen Mehrzahl der Universen mit dem überein, was wir hier mit unseren Messungen festgestellt haben (siehe Abbildung 7.1 ), würde unser Zutrauen in die Existenz dieses speziellen Multiversums zu Recht wachsen.
Und hätten
Weitere Kostenlose Bücher