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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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Spektrum der Unterschiede bei anderen vom Offensichtlichen über das Erheiternde bis zum Schockierenden reicht. Jede Entscheidung, die wir jemals getroffen haben, ist gleichbedeutend mit einer bestimmten Teilchenanordnung. Wenn wir uns nach links gewandt haben, sind unsere Teilchen in die eine Richtung gewandert; haben wir uns nach rechts gewandt, sind sie in die andere mitgegangen. Wenn wir ja gesagt haben, haben sich die Teilchen in unserem Gehirn, unseren Lippen und Stimmbändern in ganz bestimmter Weise konzertiert bewegt; haben wir nein gesagt, war die Bewegung eine andere. Nach diesem Prinzip spielt sich jede denkbare Handlung, jede Entscheidung, die wir getroffen haben, und jede Möglichkeit, die wir verworfen haben, in irgendeinem Flicken ab. In manchen davon sind unsere schlimmsten Befürchtungen im Hinblick auf uns selbst, unsere Familie und das Leben auf der Erde verwirklicht. In anderen sind unsere schönsten Träume wahr geworden. In wieder anderen haben die Unterschiede, die sich aus ähnlichen, aber abweichenden Teilchenanordnungen ergeben, zusammen eine Umwelt hervorgebracht, die wir nicht einmal wiedererkennen würden. Und in den allermeisten Flicken umfasst die Teilchenkombination nicht jene höchst spezialisierten Anordnungen, die wir als Lebewesen bezeichnen; deshalb wären diese Flicken unbelebt, oder zumindest gäbe es dort kein Leben, wie wir es kennen.
    Die Größe der in Abbildung 2.1(b) dargestellten kosmischen Flicken wird im Laufe der Zeit zunehmen; je mehr Zeit vergeht, desto weiter kann das Licht wandern, so dass jeder einzelne kosmische Horizont sich erweitert. Am Ende werden die Horizonte sich überlappen. Wenn das geschieht, kann man die Regionen nicht mehr als getrennt und isoliert betrachten; die Paralleluniversen sind nicht mehr parallel, sie sind verschmolzen. Dennoch gelten die Ergebnisse, zu denen wir gelangt sind, weiterhin. Wir brauchen nur ein neues Raster kosmischer Flicken anzulegen, wobei die Größe jedes Flickens durch die Entfernung bestimmt wird, die das Licht in der Zeit zwischen dem Urknall und diesem späteren Zeitpunkt zurückgelegt hat. Die Flicken sind größer, und damit sie ein
Muster wie in Abbildung 2.1(b) bilden können, müssen ihre Mittelpunkte weiter voneinander entfernt sein. Aber da uns ein unbegrenzt großer Raum zur Verfügung steht, ist genügend Platz, um diese Anpassung an die neuen Verhältnisse zu ermöglichen. 16
    Damit sind wir bei einer Schlussfolgerung, die allgemeingültig und provokativ zugleich ist. In einem unendlich großen Kosmos ist Wirklichkeit nicht das, was die meisten von uns sich darunter vorstellen. Die Weite des Raumes enthält zu jedem Zeitpunkt eine unendliche Zahl einzelner Regionen – Bestandteile des Patchwork-Multiversums , wie ich es nennen möchte. Darin ist unser beobachtbares Universum, also alles das, was wir am Nachthimmel sehen können, nur ein Baustein. Betrachten wir die unendliche Ansammlung getrennter Regionen als Ganzes, so stellen wir fest, dass Teilchenanordnungen sich zwangsläufig unendlich viele Male wiederholen. Die Wirklichkeit, die in jedem einzelnen Universum einschließlich unseres eigenen vorhanden ist, wiederholt sich in einer unendlichen Zahl anderer Universen des Patchwork-Multiversums. 17
    Was sollen wir damit anfangen?
    Die Schlussfolgerung, zu der wir jetzt gelangt sind, erscheint vielleicht so exotisch, dass der eine oder andere geneigt ist, die Diskussion auf den Kopf zu stellen. Man könnte die Ansicht vertreten, unsere bizarre Erkenntnis – unendlich viele Kopien von Ihnen und mir und jedem und allem – sei ein Beleg dafür, dass mindestens eine der Annahmen, von denen wir ausgegangen sind, fehlerhaft ist.
    Könnte die Annahme, dass der ganze Kosmos mit Teilchen angefüllt ist, falsch sein? Vielleicht liegt jenseits unseres kosmischen Horizonts ein gewaltiger Bereich, der nichts als leeren Raum enthält. Möglich ist das, aber für ein solches Bild müsste man derartig komplizierte theoretische Klimmzüge unternehmen, dass es völlig unplausibel wird. Die am weitesten entwickelten kosmologischen Theorien – wir werden sie in Kürze kennenlernen –, führen uns nicht einmal in die Nähe einer solchen Möglichkeit.
    Könnten die Gesetze der Physik selbst sich jenseits unseres kosmischen Horizonts ändern, so dass unsere Fähigkeit, zuverlässige theoretische Analysen dieser entfernten Regionen anzustellen, untergraben wird? Auch das ist möglich. Aber wie wir im nächsten Kapitel

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