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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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zwei. Höchstens drei.«
    »Nein«, sagte ich.
    Alex nahm meine Hand. »Carol Ann …«
    »Sie müssen das nicht hier und heute entscheiden«, schaltete Dr. Montgomery sich ein. »Ich denke, es ist am besten, Sie gehen nach Hause und denken in Ruhe darüber nach, beraten sich, und dann kommen Sie wieder zu mir.«
    Ich hatte das Gefühl, als würde mir alles aus den Händen gleiten, als hätte ich keinerlei Mitspracherecht mehr. Als hätte ich die Kontrolle über mein Leben verloren.
    »Ich muss nicht erst darüber nachdenken«, erwiderte ich. »Ich will, dass sie diese Behandlung bekommt.«
    Dr. Montgomery nickte. »Ich verstehe, wie Sie empfinden, Carol Ann. Glauben Sie mir. Ich verstehe, wie Sie beide empfinden.«
    »Was würden Sie denn tun?«, fragte ich, lauter als beabsichtigt. Ich merkte selbst, wie trotzig ich mich anhörte. Es war der gleiche Ton, den Lily draufhatte. »Was würden Sie denn tun?«
    Alex lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Du kannst nicht …«
    »Lassen Sie nur, Alex.« Dr. Montgomery hob beschwichtigend die Hand. »Ich weiß es nicht, Carol Ann, und das ist meine ehrliche Antwort. Jetzt, wo ich hier in meinem Sessel sitze, würde ich sagen, ich würde so denken wie Alex. Aber säße ich auf der anderen Seite des Schreibtisches …« Er schüttelte den Kopf, hob beide Hände in einer Geste der Hilflosigkeit. »Ich weiß es nicht … ich weiß es einfach nicht. Keiner kann sagen, wie er in so einer Situation reagieren wird, solange er nicht selbst betroffen ist. Es ist ein entsetzliches Dilemma, und das ist auch der Grund, weswegen ich der Meinung bin, dass Sie mir jetzt noch keine Antwort geben sollten.
    Lassen Sie sich Zeit. Denken Sie in Ruhe darüber nach. Überlegen Sie, was das Beste für Josie ist. Sie ist ein sehr, sehr tapferes kleines Mädchen, und sie kann kämpfen, sie will nicht aufgeben, aber Sie müssen auch wissen …« Er unterbrach sich mitten im Satz. Die Tränen liefen mir über das Gesicht, und ich machte mir nicht mehr die Mühe, sie wegzuwischen. Ich sah das Mitgefühl in seinen Augen, doch er konnte mir nicht helfen. »Manchmal reicht es eben nicht, Kampfgeist zu haben«, beendete er leise das Gespräch.
    Später im Bett liegen Alex und ich Rücken an Rücken, keiner streckt die Hand nach dem anderen aus. Meine Augen starren in die Dunkelheit, und ich weiß, dass Alex neben mir das Gleiche macht. Unsere Körper sind nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, doch ich habe das Gefühl, als würde mitten durch unser Ehebett eine dicke Mauer verlaufen, die uns voneinander trennt. Damals dachte ich, dass es darum ging, dass der eine kämpfen, der andere aufgeben wollte. Dass der eine stark, der andere schwach war. Inzwischen weiß ich, dass wir beide stark waren, auf unterschiedliche Weise. Oder vielleicht waren wir auch beide schwach, auf unterschiedliche Weise. Jedenfalls hatten wir beide einfach Angst, aus unterschiedlichen Gründen.
    Wir redeten nicht darüber. Nie. Der Arzt hatte uns geraten heimzugehen und uns miteinander zu beraten, doch wir gingen heim und redeten nicht darüber. Wir redeten überhaupt nicht miteinander. Zwei Tage später rief ich Dr. Montgomery an und teilte ihm mit, wir beide hätten, nach reiflicher Überlegung, das Gefühl, jede Chance nutzen zu müssen, auch wenn die Behandlung noch so schwierig sei. Wir müssten es einfach versuchen.
    »Ich verstehe, Carol Ann«, erwiderte der Arzt. »Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass Josie einen sehr, sehr schweren Kampf vor sich hat, aber jetzt, wo Sie zu diesem Entschluss gekommen sind, möchte ich Ihnen auch sagen, dass ich zusammen mit Ihnen kämpfen werde, mit all meiner Kraft.«
    Dr. Montgomerys Stimme ergießt sich über mich, sanft, tröstlich, wie warme Milch mit Honig. Während er spricht, wickle ich das Telefonkabel fest um meinen Finger, füge mir absichtlich Schmerz zu, damit ich die Tränen aufhalte, die mir in die Augen schießen wollen. Meine Fingerspitze hat sich rotblau verfärbt und pocht von dem abgedrückten Blut, und auf dem Fingerglied darunter hat das Kabel weiße Striemen hinterlassen. Ich lehne mich mit der Stirn gegen die Wand.
    »Danke«, flüstere ich.
    Statt es Alex ehrlich zu sagen, erzähle ich ihm, Josie würde in der kommenden Woche noch einmal ins Krankenhaus müssen, für mindestens vier Tage. Er schaut mich an, seine Augen durchbohren mich, aber er fragt nicht weiter nach. In unserer Familie gilt normalerweise das, was Alex sagt. Ich bringe einfach nicht die Kraft

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