Die verborgenen Bande des Herzens
brachte, hatten Alex und ich einen heftigen Streit. Die Ärzte ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Man bat uns, in die Klinik zu kommen, um mit dem behandelnden Facharzt zu reden. Alex war bei der Arbeit, aber ich wollte umgehend einen Termin vereinbaren, notfalls würde ich eben allein gehen, doch die Krankenschwester ging nicht auf meinen Wunsch ein.
»Ich denke, Sie und Ihr Mann sollten beide bei dem Termin anwesend sein, Carol Ann«, sagte sie mit gütiger Stimme.
Ich war so wütend auf Alex. Ich hatte den ganzen Nachmittag wie auf Kohlen gesessen, bis er endlich heimkam vom Büro und ich ihm sagen konnte, dass man in der Klinik mit uns reden wollte. Mir war regelrecht schlecht vor Angst, was uns der Facharzt mitteilen würde. Ich wollte, dass Alex mich in den Arm nahm, aber er schaute mich einfach nur an und sagte in knappem Ton, ich solle nicht vor der kommenden Woche einen Termin vereinbaren.
»Nächste Woche! So lange können wir nicht warten! Ich muss unbedingt so bald wie möglich mit dem Arzt sprechen!« Ich nahm den Teller mit seinem Abendessen, das ich mit Alufolie abgedeckt im Backrohr warm gehalten hatte, und knallte ihn vor Alex auf den Tisch.
»Es geht nicht anders. Ich kann nicht eher weg, Carol Ann.«
»Alex, du sagst mir also ins Gesicht, dass dir deine bescheuerte Arbeit wichtiger ist als Josie?«
»Verdammt, sei nicht so dumm«, sagte er, mit leiser, ätzender Stimme. »Nicht dümmer als unbedingt notwendig.«
»Ich habe es so satt , von dir immer als dumm bezeichnet zu werden«, fauchte ich wütend.
»Nun, dann hör auf, dich so dumm zu benehmen .«
Die Zornesröte stieg mir ins Gesicht, und ich musste mich beherrschen, nicht mit der Faust auf seinen Tellerrand zu schlagen und ihm das Essen in den Schoß zu kippen.
»Alex, es ist einfach so, dass du alle, die nicht deiner Meinung sind, für dumm hältst. Ich habe immer unrecht. Doch dieses Mal habe ich recht. Der Arzt hat uns gebeten, in die Klinik zu kommen, und deshalb müssen wir umgehend mit ihm reden. Ich werde nicht bis nächste Woche warten, um zu erfahren, was er uns zu sagen hat.«
»Glaubst du denn wirklich, dass sich bis nächste Woche irgendetwas ändern wird?«, fragte Alex.
»Alex, ich muss es wissen.«
»Denkst … du … wirklich«, wiederholte er langsam und böse, »vorausgesetzt, natürlich, dass du überhaupt denken kannst , dass sich bis nächste Woche irgendetwas ändern wird?«
Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen, sicheres Zeichen, dass ich verlieren würde.
»Mein Gott, jetzt fängst du wieder zu heulen an«, kommentierte Alex und spießte mit einer heftigen Bewegung ein verschmortes, verschrumpeltes Broccoliröschen auf seine Gabel. »Das tust du jedes Mal. Verdammt, werde endlich erwachsen.«
Ich bin im Begriff zu verlieren. Und auch Josie werde ich verlieren. Ich nehme einen Unterteller von dem Abtropfbrett und knalle ihn so heftig auf die Arbeitsplatte, dass er in tausend Scherben zerspringt. Alex erschrickt, aber nur für eine Sekunde.
»Gut gemacht, Carol Ann«, sagt er mit sarkastischer Stimme. »Man kann bei dir immer davon ausgehen, dass du rational und vernünftig argumentierst.«
Ich hasse ihn. Ich hasse seine Kälte. Ich hasse es, wie er mich kleinmacht. Wie er immer die Oberhand gewinnt, die Regeln aufstellt, Schiedsrichter und gleichzeitig Gegner ist. Und ich hasse mich selbst, weil ich nie beherrscht bleiben kann und weil ich immer so leicht das Handtuch werfe.
»Du bist ein ganz mieser Kerl, Alex, weißt du das?«, sage ich mit zittriger Stimme.
»Da ist die Tür«, sagt er. »Niemand hält dich auf.«
Da drehe ich mich um, nehme einen Plastikbeutel aus der Schublade und schiebe sie mit einem heftigen Knall wieder zu.
»Du wirst sie noch kaputt machen.«
»Mir egal.«
»Na gut«, sagt er und setzt mechanisch kauend sein Mahl fort. Er greift nach der Fernbedienung des Fernsehgeräts und schaltet die Nachrichten ein. Ignoriert mich. Als wäre ich Luft. Ich klaube hastig die Scherben der Untertasse auf, schere mich nicht um die scharfen Kanten, werfe sie in den Plastikbeutel. Die scharfkantigen Scherben sind wie Speere aus Glas, sie dringen mühelos durch die dünne Haut meiner Fingerspitzen. Blut tropft auf das Porzellan, verschmiert das Blümchenmuster, rinnt außen an der Plastiktüte entlang. Ich bin zu wütend, um den Schmerz zu fühlen.
Stevie kommt in die Küche gelaufen.
»Mummy, was war das für ein Krach?«
Ich gebe ihm keine
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