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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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Antwort.
    »Was war das für ein Krach, Mummy?«, fragt er noch mal. Dann sieht er das Blut und reißt die Augen auf. »Mummy!«, ruft er erschrocken. »Schau doch, Mummy, du blutes t!«
    »Es ist nicht schlimm, Stevie, ich hab nur einen Teller zerbrochen und mich ein bisschen an einer Scherbe geschnitten.« Ich beuge mich hinunter und küsse ihn auf den Scheitel.
    »Alles ist voll Blut, Mummy!«
    »Ja, ich weiß, Stevie, aber mach dir keine Sorgen. Mummy geht es gleich wieder gut. Geh ruhig wieder spielen.«
    »Geh mal nachschauen, ob mit Josie alles in Ordnung ist, Stevie«, sagt Alex. »Ich klebe Mummy ein Pflaster drauf.« Er geht zu dem Küchenschrank und nimmt aus der Schublade eine Box mit Heftpflaster, dann dreht er das kalte Wasser auf.
    »Halte deine Hand da drunter«, sagt er barsch.
    Ich spüle das Blut ab und trockne die Wunde mit einem Küchentuch. Das Blut durchtränkt augenblicklich das weiße Papier. Alex nimmt das Küchentuch weg und klebt rasch ein Pflaster über die Wunde. Dann wirft er die Box wieder in die Schublade, geht aus der Küche und lässt mich einfach dort stehen. Selbst während ich ihn hasse, möchte ich, dass er mich in den Arm nimmt, meine Stirn küsst. Ich begreife nicht, wie ich diese beiden Dinge gleichzeitig fühlen kann. Ich gehe aus der Küche und schlage die Tür hinter mir zu.
    Erst später, sehr viel später, wurde mir klar, dass Alex es einfach nicht ertragen konnte zu hören, was Dr. Montgomery, der Onkologe, uns zu sagen hatte, dass er das Gespräch unbedingt hinausschieben musste. Als wir beide schließlich dem Arzt gegenübersaßen, konnte ich Alex’ Anspannung förmlich spüren. Dr. Montgomery redete mit leiser, fester Stimme. Er sprach sehr mitfühlend, aber es war ja schließlich nicht sein Kind, oder? Er konnte völlig gefasst bleiben, weil es nicht sein Kind war. Es war unseres. Unsere Josie.
    Es sei eine schwierige Entscheidung, sagte Montgomery mit sanfter Stimme, eine, die nur wir, die Eltern von Josie, fällen könnten. Josie sei schwer krank, erklärte er uns, als ob wir das nicht schon längst wüssten. Alex beugte sich auf seinem Stuhl nach vorn, die Hände gefaltet, die Ellbogen auf die Oberschenkel gelegt. Er senkte den Kopf, schaute zu Boden. Ich biss mir auf die Lippen, kämpfte mit den Tränen. Wieder einmal.
    »Behandelbar?«, fragte ich schließlich, das einzige Wort, das ich herauspressen konnte. Einen ganzen Satz traute ich mir nicht zu.
    Montgomery nickte. Das sei die Entscheidung, die wir nun zu treffen hätten. Josies Leukämie spreche nicht, wie erhofft, auf die Medikamente an. Sie könnten nun einen letzten Versuch wagen, aber die Behandlung wäre unangenehm für Josie, mit starken Schmerzen verbunden, und es gebe keine Garantie auf Erfolg. Vielmehr müsse er uns leider darauf hinweisen, erklärte er mit sanfter Stimme und schaute mir dabei direkt ins Gesicht, dass es höchst unwahrscheinlich sei, dass die Behandlung etwas bewirken werde.
    »Wie unwahrscheinlich?«, fragte Alex, und es störte mich, dass er das Bedürfnis verspürte, alles in Prozent auszudrücken, selbst die Behandlungschancen seiner Tochter. Diese verdammten Wirtschaftsprüfer.
    »Zu achtundneunzig Prozent unwahrscheinlich«, erwiderte Montgomery prompt. Ich bekam den Eindruck, er war erleichtert, dass Alex gefragt hatte.
    »Demnach eine Heilungschance von zwei Prozent?«, hakte Alex nach.
    »Diese Dinge lassen sich eigentlich nicht durch präzise Zahlen ausdrücken, doch was ich damit sagen will, ist, dass ein Erfolg äußerst unwahrscheinlich ist.«
    »Wir machen es«, sagte ich.
    »Nein«, sagte Alex.
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    »Alex«, sagte ich, um Fassung ringend. »Wir müssen diese Chance ergreifen.« Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, doch das ging in Dr. Montgomerys Anwesenheit nicht. »Wir haben keine andere Wahl.«
    Der Arzt vermied es, uns anzuschauen, hielt den Blick auf seine Schreibtischplatte gesenkt, als wollte er uns dadurch das Gefühl geben, diese Diskussion unter uns führen zu können.
    »Nein«, sagte Alex noch einmal. Er hob endlich den Kopf und schaute mich an. »Josie hat genug gelitten, Carol Ann. Wir können ihr nicht noch mehr zumuten. Nehmen wir sie einfach mit nach Hause, und nutzen wir die Zeit, die ihr noch bleibt.« Er richtete den Blick auf Dr. Montgomery. »Wie viel Zeit bleibt ihr ohne Behandlung?«
    »Schwer zu sagen«, erwiderte der Arzt mit sanfter Stimme und schaute nun Alex direkt ins Gesicht. »Ein Monat. Vielleicht

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