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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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damaligen Zeit natürlich niemals so ausgedrückt hätte. Aber genauso habe ich mich verhalten. Inzwischen sehe ich es ein.
    Harry glaubt, meine Erstarrung habe damit zu tun, dass ich mich ihm anvertraut habe, und dass dadurch Erinnerungen wachgerufen wurden. »Du hast so viel durchmachen müssen«, sagt er, »eine Tochter zu verlieren, und dann auch noch den Ehemann.«
    Ich liege ausgestreckt auf der blauen Zweisitzercouch in meinem Wohnzimmer, ein cremefarbenes Kissen unter dem Kopf, und starre blicklos an die Decke. Ich habe in diesem Cottage immer noch das Gefühl, in einem Spielhaus zu leben. Harrys Worte unterstreichen einfach die Tatsache, dass nichts um mich herum echt, dass alles eine einzige große Lüge ist. Ich habe ihm von Josie erzählt. Aber wie kann ich ihm von Alex erzählen … oder Stevie … Harry hat nicht die leiseste Ahnung, welcher Mensch ich wirklich bin.
    »Ich habe seine Schuhe gesehen.«
    Harry zögert, will mich nicht bedrängen, will, dass ich einfach rede.
    »Wessen Schuhe, Schätzchen?«, fragt er nachsichtig.
    »Die von Alex. Ich ging in Josies Zimmer, an dem Tag, an dem sie starb, und ich sah, dass er sie ganz ordentlich nebeneinander hingestellt hatte, und da bekam ich Angst. Ich wusste Bescheid.«
    »Was wusstest du?«
    Ich ignoriere die Frage, sie dringt kaum in mein Bewusstsein.
    »Er ist an diesem Tag nicht ins Büro gegangen. Das war ungewöhnlich. Er hatte gesagt, ich solle mich ruhig ein bisschen hinlegen, er würde derweil bei Josie bleiben und auf sie aufpassen. Sie hatte eine schlimme Nacht gehabt. Es ging ihr wirklich sehr, sehr schlecht. Also ruhte ich mich ein bisschen aus, aber dann wachte ich plötzlich in Panik auf, lief in ihr Zimmer und sah die Schuhe auf dem Boden stehen. Sie waren nicht hastig weggestoßen worden. Sie waren mit Bedacht ausgezogen und ordentlich nebeneinander hingestellt worden … die Schnürsenkel lagen innen in den Schuhen, damit sie nicht auf dem Boden schleiften, und als ich das sah, wusste ich, dass Alex, als er die Schuhe auszog, sich alles, was er tat, gut überlegt hatte. Ich wusste Bescheid.«
    »Warum hat er seine Schuhe ausgezogen?« Harry wirkt leicht verwirrt.
    »Er saß mit gekreuzten Beinen auf Josies Bett. Er wiegte sie im Arm.«
    »Sei mir nicht böse, Cara … aber ich verstehe nicht ganz …«
    »Er hielt sie in seinen Armen, wartete, bis sie sterben würde. Verstehst du? Er wusste, sie würde sterben. Josie hatte eine Morphiumpumpe, mit der man ihr Schmerzmittel verabreichen konnte. Alex hat die Pumpe einfach weiter aufgedreht, die Dosis erhöht. Er konnte ihr Leid nicht mehr mitansehen. Dann kletterte er aufs Bett, nahm sie in seine Arme und ließ sie dort einfach einschlafen. Und als ich reinkam und die ordentlich abgestellten Schuhe sah, wusste ich es, frag mich nicht, warum. Ich wusste es einfach. Das alles sah so geplant aus.«
    Ich schaue Harry nicht an. Ich starre weiterhin an die Decke, als würde ich, wenn ich jetzt Kontakt mit Harry herstellen würde, eine ungeschriebene Regel brechen. Wie wenn ich auf die Fugen zwischen den Pflastersteinen treten oder direkt mit Stevie sprechen würde. Als ich damals anfing, zu Hammond zu gehen, stellte ich jede Menge solcher »Regeln« auf.
    »Sie starb, und ich war nicht bei ihr«, sage ich in das Schweigen hinein. »Ich war die ganze Zeit um sie herum, und als es zu Ende ging, war ich nicht bei ihr.«
    »Cara, sie wäre nicht aufgewacht. Sie wäre nicht wieder zu Bewusstsein gekommen, sie hätte nicht mitbekommen, dass du nicht da warst. Da bin ich mir ganz sicher.«
    Ich nicke.
    »Das rede ich mir auch immer ein. Aber ein Teil von mir … ich habe es versucht, aber ich kann ihm das nicht verzeihen. Ich habe das Gefühl, er hat sie mir gestohlen, obwohl ich wirklich wusste, dass es ihr nie wieder besser gehen würde. Trotzdem hätte es alles seinen natürlichen Verlauf nehmen sollen, verstehst du mich? Ich habe damals immer gedacht, wenn es einen Gott gibt, wenn er sie zurückhaben will, muss er sie mir schon mit Gewalt entreißen, denn ich würde mich mit Händen und Füßen dagegen wehren. Ich würde sie nicht bereitwillig wieder hergeben. Aber am Ende hat Alex sie mir weggenommen. Er hat sie genommen und einfach wieder zurückgegeben. Dazu hatte er aber kein Recht. Und jetzt …« Und jetzt habe ich auch noch Stevie verloren, will ich sagen, aber natürlich weiß Harry nicht, wer Stevie ist.
    »Cara.« Ich höre, wie Harry mühsam versucht, aus seinem Sessel aufzustehen, aber

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