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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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ich in meinem ganzen Leben je einen Menschen geliebt habe, wirklich und wahrhaftig geliebt habe. Abgesehen von meiner Mutter. Und wenn ich ehrlich bin, mischte sich sogar schon damals ein wenig Verachtung in meine Liebe zu ihr, weil sie so schwach war. Ich war diejenige, die alles regeln und wieder auf die Reihe bringen musste, obwohl ich das Kind war.
    Mit meinen geschlossenen Augen sehe ich ihn direkt vor mir. Meinen Vater, meine ich. Er und Alex gehen mir abwechselnd durch den Kopf, immer wieder. Sechs Monate, nachdem ich meinen Vater mit dem Kricketschläger bedroht hatte, griff er meine Mutter an, die gerade oben an der Trep pe stand, packte sie an der Gurgel. Er hatte einen Brandflecken auf seinem Hemd entdeckt und behauptete, sie hätte es beim Bügeln absichtlich versengt. Sie verteidigte sich nicht. Hielt ihr Verhalten wohl für klug. Nun, er würde ihr schon zeigen, wer der Herr im Haus war. Er würde es ihr ein für alle Mal zeigen.
    Mein Bruder war nicht da, aber ich hörte ihren Streit von meinem Zimmer aus. Sie konnte nicht einmal schreien. Ich hörte die kleinen erstickten Huster, die sich aus ihrer Kehle quälten, und wusste, diesmal ging er zu weit, sie war kurz vor dem Abkratzen. Ich langte nach dem Schläger und stürmte hinaus in den Flur und schlug ihm damit mit voller Wucht über den Rücken, sodass er die Hände von ihr ließ. Meine Mutter fiel zu Boden, wo sie hustend und keuchend liegen blieb. Die dunklen Fingerabdrücke auf ihrem Hals waren der Auslöser, dass ich ausrastete. Seine fettigen schmierigen Fingerabdrücke waren überall, stigmatisierten unser Leben, besudelten es mit seinem Dreck.
    Er drehte sich zu mir herum, aber ich hatte ja den Schläger und hielt ihn wie einen Schild vor mir.
    »Na, komm doch her, du mieser Dreckskerl«, flüsterte ich, trunken von dem Adrenalin. »Los, komm schon.«
    Ich ging rückwärts auf die Treppe zu, lockte ihn. Ich roch seinen sauren Gestank nach Schweiß und Schnaps, als er immer näher kam, hörte das Geräusch seines mühsamen Atmens. Die kleinste Anstrengung, und schon keuchte er und schwitzte wie ein Schwein.
    »Wenn er Ihnen das Gefühl gab, machtlos zu sein, wurde er Ihnen gegenüber wohl gewalttätig?« Hammonds Stimme bewirkt, dass ich meine Augen aufreiße. Dauernd stellt er mir Fragen. So viele ermüdende Fragen.
    »Zuerst ihr gegenüber. Meiner Mutter.«
    »Er hat sie geschlagen.« Ich registriere, dass der Satz wie eine Feststellung klingt, nicht wie eine Frage.
    »Ja.«
    »Und dann hat er Sie geschlagen.«
    »Ich konnte das gurgelnde Geräusch in ihrer Kehle hören, das Blubbern und Keuchen …«
    »Sie haben ihn aufgehalten?«
    »Ja.«
    »Gut gemacht, Karen«, sagt er leise. »Sie waren sehr mutig.«
    Ja. Gut gemacht, Karen. Das dachte ich auch. Aber nie hat es einer ausgesprochen. Weder meine Mutter, obwohl ich es für sie getan hatte. Noch mein Bruder, der nie die ganze Wahrheit erfuhr, sie aber immer ahnte.
    »Wie haben Sie ihn aufgehalten?«
    »Mit einem Kricketschläger. Dann stürzte er die Treppe hinunter.«
    Er war auf mich losgegangen, und ich holte mit dem Schläger aus. Er wich meinem Schlag aus, aber dann stolperte er, und ich stieß mit dem Fuß nach ihm. Da stürzte er, fiel kopfüber die Treppe hinunter und überschlug sich dabei. Als er unten ankam, war alles still. Meine Mutter kroch zu der obersten Stufe. Ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen, und sie fing zu wimmern an. Er lag unten und rührte sich nicht mehr.
    »Sie müssen Ihre Mutter geliebt haben«, kommentiert Hammond. Ich gebe ihm als Antwort nur ein Schnauben.
    »Warum haben Sie Ihre Mutter geliebt?«
    »Sie lebte in ständiger Furcht.«
    »Das ist ein seltsamer Grund, jemanden zu lieben.«
    »Ach ja?«
    »Sie wussten, wie sie sich fühlte?«
    »Ich wollte sie beschützen. Alles gut machen. Sodass sie keine Angst zu haben brauchte.«
    »Und deshalb haben Sie Ihren Vater mit dem Kricketschläger geschlagen?«
    »Sie wäre gestorben, wenn ich das nicht gemacht hätte.«
    »Sie haben ihr das Leben gerettet.«
    »Das hab ich doch gesagt.«
    »Sie haben ihn geschlagen, und dann stürzte Ihr Vater die Treppe hinab. Hat es sich so abgespielt?«
    »Ich nehme an.«
    »Sie nehmen an?«
    »Ja.«
    »Er ist gestolpert?«
    »Ja.«
    »Weil er betrunken war?« Alex. Alex. Wenn die Zärtlichkeit nur Realität gewesen, für mich gewesen wäre. Ich musste mich gegen den Schmerz zur Wehr setzen, genau wie damals gegen meinen Vater. Ich gehe auf alles los, was mich

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