Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
Vom Netzwerk:
an dicht in dem feuchten Graben draußen vor dem Haus wachsen, wunderschöne zarte kleine Blüten, die triumphierend aus dem Schlick hervorschießen, der sich am Boden der Senke angesammelt hat.
    Das Haus riecht nach Holz, neuem Holz, das frisch lackiert ist. Ich liebe das Schlafzimmer. Es ist gelb wie die Sonne, gelb wie ein Rapsfeld, nicht das satte Gelb, wenn der Raps in voller Blüte steht, sondern eine zartere Nuance, wenn er gerade im Aufblühen begriffen ist und das Grün der Stängel noch durchschimmert. In diesem Zimmer kann ich mich förmlich im Sonnenlicht baden. Selbst im Winter wird hier drinnen Sommer sein.
    Ich war noch nie zuvor in Killymeanan. Doch das ist der Ort, an den mich der Wind geweht hat. Wenn ich keine Bleibe gefunden hätte, wäre ich fast sicher nach Balgannan weitergefahren. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, Killymeanan würde mich mit offenen Armen willkommen heißen. Vielleicht kann ich mir später sogar einen kleinen Gebrauchtwagen kaufen. Vorerst muss ich mit dem Regionalbus vorliebnehmen, einem roten einstöckigen Bus, der an der Küste entlang und dann landeinwärts durch fruchtbare grüne Wiesen und Felder zockelt.
    Killymeanan liegt ein Stück landeinwärts, eine halbe Meile von der Küste entfernt, wo an stürmischen Tagen die Brecher gegen die Klippen schlagen, wo der Wind den Tang wie Zuckerwatte hochwirbelt, sodass er auf den Steinen oberhalb des Sandstrands liegen bleibt. Der Wind in Killymeanan reicht aus, ein ganzes Leben durcheinanderzuwirbeln und neu zu ordnen.

9. Kapitel
    Karen
    F azit einer Arbeitswoche: ein dreckiger alter Suffkopf, der auf der Fahrt zum Obdachlosenasyl den Rücksitz des Streifenwagens vollkotzt; ein Büro-»Einbruch«, ausgeführt von zwei Zwölfjährigen, die mit einem Ziegelstein ein Fenster einwerfen und dann mit ihrer Beute türmen: weniger als zehn Pfund aus der Sammelbüchse einer Wohlfahrtseinrichtung und eine Packung KitKat aus der Teeküche; und eine Edelzicke, die die Polizei ruft, weil ihr Nachbar gegenüber angeblich die ganze Zeit nackt am Fenster steht. Mackie lief fast der Sabber aus dem Mundwinkel, als wir ihre Anzeige aufnahmen. Immer wenn sie ihm den Rücken zukehrte, sah er zu mir, zog die Augenbrauen hoch und spitzte anzüglich den Mund. Sie sei scharf auf ihn, erklärte er mir auf dem Rückweg. Wahrscheinlich werde sie nun sein Fenster ins Visier nehmen.
    Ich bin froh, dass ich den Fall Matthews als Ausrede benutzen und mich allein auf den Weg machen kann. Ich arbeite gern allein. Denn dann braucht man sich nicht so streng an die Vorschriften zu halten. Je öfter ich mich in dem Haus der Vermissten aufhalte, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass mit dieser Familie etwas nicht stimmt. Auf den ersten Blick sind alle Familienmitglieder ganz normal, dennoch habe ich den Eindruck, dass keiner dort mit dem anderen redet, dass jeder seine Geheimnisse hat. Besonders Alex.
    Nicht dass der Fall Carol Ann Matthews so einzigartig wäre. Die ganze Zeit verschwinden Leute. Über zweihunderttausend jedes Jahr. Wenn es keine konkreten verdächtigen Hinweise gibt, können wir eigentlich nicht viel machen. Die meisten von ihnen sind jugendliche Ausreißer, doch auch wenn es sich um Erwachsene handelt, taucht die Mehrheit nach ein paar Tagen wieder auf. In der Regel weiß man sofort, warum sie abgehauen sind. Psychische Probleme. Drogenprobleme. Eine drückende Schuldenlast. Schwierigkeiten mit dem Partner. Sie lassen ihr altes Leben einfach hinter sich und kehren meist nach einer gewissen Zeit wieder von allein zurück. Natürlich nehmen wir uns jene vor, die gefährdet sind, aber wir können nicht allen hinterherjagen, die einfach Lust auf einen verlängerten Ausflug haben.
    Der Fall Carol Ann wirkt ein bisschen ungewöhnlicher. Schickes Haus. Attraktiver Ehemann. Stinklangweiliges Hausfrauendasein, dennoch läuft man vor so einem Leben normalerweise nicht weg. Ich habe alles wie üblich überprüft, doch gerade weil es überhaupt kein Motiv und keinerlei Erklärungen oder Hinweise gibt, bekommt man den Eindruck, dass ihr Verschwinden etwas mysteriöser ist. In Anbetracht dieser Tatsache kann McFarlane eigentlich von mir erwarten, dass ich die Kripo benachrichtige. Aber ich will lieber noch ein bisschen auf eigene Faust herumschnüffeln. Sobald die Kripo eingeschaltet ist, wird sich meine Tätigkeit darauf beschränken, den Kontakt zur Familie aufrechtzuerhalten, was im Grunde nichts anderes bedeutet als Händchenhalten. Hier, bitte

Weitere Kostenlose Bücher