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Die verborgenen Bande des Herzens

Die verborgenen Bande des Herzens

Titel: Die verborgenen Bande des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Deveney
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ganz kirre. Ihr linker Mundwinkel hängt immer noch stark nach unten, was ihr ein groteskes, ja, bösartiges Aussehen verleiht. Ihre Lippen fangen an, sich zu bewegen, dennoch dauert es eine Weile, ehe sie einen Ton herausbringt.
    »Aahalan«, sagt sie unter gewaltiger Anstrengung. Sie bekommt Sprachtherapie, aber sie macht nur winzige Fortschritte.
    »Wie bitte, Lily?«
    »Aahalan«, wiederholt sie, »Aahalan.« Sie verdreht den Mund und müht sich ab, wenigstens ein Wort herauszubringen. Man hat den Eindruck, ihre Lippen sind eher im Weg bei ihrem Versuch, Laute zu produzieren.
    Ich stehe auf und fasse sie am Ellbogen.
    »Kommen Sie, setzen Sie sich doch, Lily. Soll ich Ihnen eine Tasse Tee machen?«
    »Nah«, sagt sie und schüttelt den Kopf.
    Ihre Augen glänzen vor Ungeduld und Frustration, zwei funkelnde Steine, halb verdeckt von dunklen, schweren Lidern.
    » Cah…ahlan «, bringt sie schließlich unter Aufbietung aller Kräfte hervor
    »Carol Ann?«, sage ich. »Verstehe ich das richtig? Carol Ann?«
    Sie nickt mit dem Kopf, ein einziges Mal. »Ahah«, bestätigt sie eifrig.
    »Wir tun alles, Carol Ann zu finden, Lily.« Ich lege ihr einen Arm um die Schulter, versuche, sie zu einem Sessel zu führen, aber ich spüre den Widerstand in ihrem zerbrechlichen Körper. Sie ist nur noch Haut und Knochen, und ihre Frisur erinnert an ein zerzaustes Vogelnest, doch irgendwo tief drinnen ist sie hart wie Stahl.
    »Aachs«, sagt sie.
    Ich schaue ihr genau auf die Lippen. »Aachs«, wiederholt sie, dann huschen ihre Augen quer durchs Zimmer, zu einem Foto auf der Anrichte. Sie setzt sich in Bewegung, hart klopft ihr Stock auf das Parkett, bis ein Teppich das Geräusch dämpft. Bumm, schluu…rf. Bumm, schluu…rf. Endlich hat sie das Foto erreicht und deutet mit der Hand auf Alex.
    »Alex«, sage ich. Sie nickt.
    »Er wird gleich kommen, Lily. Steve sagt, es dauert nicht mehr lange.«
    »Nah«, sagt sie und schüttelt den Kopf. Langsam und bedächtig spitzt sie die Lippen. »N…n…naain.«
    »Aax«, sagt sie.
    »Alex«, sage ich, schaue ihr genau auf den Mund, versuche zu deuten.
    »Whh…thn.«
    »Wetten? Alex wettet?«
    Lilys Gesicht verzerrt sich vor Ärger und Ungeduld zu einer Grimasse.
    » WHH … THAN !«, explodiert sie. Einen kurzen Moment denke ich, sie bekommt nun direkt vor meinen Augen einen weiteren Schlaganfall.
    »Weggetan? Nein … wehgetan?«
    Sie nickt heftig mit dem Kopf. »Whh…thn Cahahlan.«
    »Alex hat Carol Ann wehgetan?«
    »Jj…jja!«, sagt sie erleichtert, dann lässt sie sich in einen Sessel sinken und schließt erschöpft die Augen.
    Ich war in letzter Zeit so oft hier, dass Alex keine Überraschung zeigt, als ich die Haustür für ihn öffne. Was er jedoch nicht weiß, ist, dass meine Besuche zum größten Teil inoffiziell sind, dass ich meine eigenen privaten Nachforschungen anstelle. Ich will, dass er sich an meine Anwesenheit gewöhnt, dass er anfängt, offen zu reden. Lilys Worte gehen mir nicht aus dem Kopf. Alex hat Carol Ann wehgetan. Natürlich ist die alte Krähe völlig gaga. Das ist mir durchaus klar. Aber dennoch. Alex hat Carol Ann wehgetan. Ist es möglich? »Steve hat mich reingelassen«, erkläre ich, und er nickt nur mit dem Kopf.
    »Wo ist Lily?«, formt er lautlos mit den Lippen.
    »Wohnzimmer?«, forme ich lautlos zurück und freue mich über unsere kleine Komplizenschaft.
    Er geht von der Haustür direkt in die Küche, wo er seinen Schlüsselbund und die Aktentasche mit einem lauten Knall auf die Frühstückstheke fallen lässt.
    »Möchten Sie was trinken?«, fragt er und schaltet den Wasserkocher ein.
    »Kaffee, wenn Sie ohnehin welchen machen, danke.«
    Ich beobachte ihn. Er wirkt wie ein Fremder in seiner eigenen Küche. Er öffnet das falsche Schrankfach auf der Suche nach der Kaffeedose, muss überlegen, wo der Zucker ist. Theresa, die Frau, die ins Haus kommt, um Lily zu pflegen, erledigt den Großteil der Hausarbeit, den Carol Ann früher gemacht hat. Alex hat sie unter der Bedingung eingestellt, dass sie auch an den Wochenenden kommt, wenn er dann frei hat. Er sorgt dafür, dass sein Kontakt zu Lily sich auf ein Minimum beschränkt.
    Er lockert seine Krawatte, während er darauf wartet, dass das Wasser zu kochen anfängt, und öffnet den obersten Hemdknopf.
    »Es gibt nichts Neues, nehme ich an?«, sagt er.
    Ich bin hergekommen, um mehr über seine Ehe zu erfahren, doch ich darf nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen.
    »Nicht wirklich. Ich habe alles

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