Die Verborgenen
allerlei Kitsch eindecken. Über den Lebensmitteln und dem Kitsch befindet sich die zweite Ebene von North Beach. Dort werben verblasste Schilder in den Fenstern für Import-Export-Firmen, Olivenölhändler, Schneider und Ähnliches.
Mr. Biz-Nass hatte eines dieser Geschäfte im zweiten Stock, nur eine Treppe über dem Stella Pastry & Café. Sein Schild war nicht verblasst – es bestand aus einem blauen Neonauge in einer roten Neonhand mit weißer, geschwungener Neonschrift darunter: WAHRSAGER.
»Wie praktisch«, sagte Pookie. »Sobald wir mit diesem Kerl geredet haben, besorgen wir uns unten etwas Sacripantina-Kuchen.«
»Braucht die kleine Eisenbahn Benzin?«
»Genaugenommen lautet die Metapher Kohle «, sagte Pookie. Er konnte die vier dicken Aktenhefter unter seinem Arm gerade noch zurechtschieben, bevor sich ihr Inhalt auf den Bürgersteig ergoss. »Gehirne brauchen Chemikalien wie Kalium und Natrium. Zucker ist auch eine Chemikalie, Bryan, ergo braucht mein Gehirn Zucker. Das nennt man Wissenschaft .«
»Ausgerechnet der Typ, der an den Unsichtbaren Daddy im Himmel glaubt, bezieht sich auf die Wissenschaft?«
»Ja«, sagte Pookie. »Und ausgerechnet dieser Typ wird eine nette Plauderei mit einem heidnischen Schwarzmagier führen. Die Beichte wird furchtbar werden diese Woche. Übrigens, ich habe Mister Biz-Nass nicht gesagt, dass wir Bullen sind.«
Bryan nickte. »Es ist immer gut, sie ein bisschen zu überraschen.«
»Meiner Meinung nach ist der Kerl ein Verdächtiger«, sagte Pookie. »Aber ich will nichts überstürzen. Er ist die einzige Person von Interesse, die wir haben.«
Bryan war nicht allzu begeistert, jedenfalls noch nicht. Der Wahrsager Thomas Reed, auch bekannt unter dem Namen Mr. Biz-Nass , hatte lediglich nach Informationen über die Symbole gesucht. Das konnte zwar bedeuten, dass irgendeine Verbindung zu ihrem Fall bestand, doch wahrscheinlicher war, dass er die Symbole irgendwo gesehen hatte und einfach mehr darüber wissen wollte. Auch wenn nur selten jemand aus reiner Neugierde Anfragen an das SFPD oder die Stadt richtete.
»Pooks, was für ein Name ist Biz-Nass eigentlich?«
»Vielleicht ist er wie Elvis«, sagte Pookie, »und es kommt von taking care of business . Bereit für ein paar Antworten?«
Bryan war bereit. Im Augenblick würde er sogar jede Antwort akzeptieren. Er hatte leichte Kopfschmerzen, doch andere Dinge waren schlimmer. Sein rebellierender Körper versuchte, ihn komplett außer Gefecht zu setzen, doch er weigerte sich nachzugeben. Wenigstens vorläufig gelang es ihm noch, sich durchzubeißen und die Tatsache zu ignorieren, dass ihn jede Bewegung schmerzte und ihm sogar das Atmen wehtat.
Sie betraten den Flur im Erdgeschoss und gingen dann die Treppen hinauf. Der herabsinkende Geruch nach Weihrauch mischte sich mit dem aufsteigenden Geruch nach Gebäck. Es war offensichtlich, welche Tür im Obergeschoss zu Mr. Biz-Nass gehörte: Sie war hellrot, mit einem stilisierten blauen Auge darauf. Bryan und Pookie traten ein.
Im Raum hinter der Tür erwartete sie ein Mann in einer roten Robe mit blauem Saum. Er trug einen ebenfalls blauen Turban, der mit Rubinen aus Glas geschmückt war. Er musste um die sechzig sein, und wenn sein Gesicht nicht trog, war jedes dieser sechzig Jahre hart gewesen. Er saß in einem roten, thronartigen Sessel. Vor dem Sessel ruhte eine blaue Glaskugel auf einem Tisch, der mit einem Tuch aus rotem Samt bedeckt war. Zwei billige blaue Plastikstühle standen auf der gegenüberliegenden Seite des Tischs.
Seine Kleidung glich derjenigen, die indische Fürsten in Hollywoodfilmen der Sechzigerjahre trugen, doch sein Gesicht wirkte keineswegs wie das eines Mannes aus dem Hochadel. Seine Nase war dreimal gebrochen, die Haut runzlig und bleich, und das linke Augenlid hing wie in einem mitten in der Bewegung erstarrten Blinzeln bis auf die halbe Höhe der Iris herab.
Der Mann winkte Bryan und Pookie zu sich heran. In seiner linken Hand hielt er einen kleinen zylindrischen Gegenstand, den er gegen seine Kehle drückte.
WILLKOMMEN , sagte eine mechanische Stimme, BITTE TRETEN SIE EIN.
Bryan und Pookie blieben stehen und starrten den Mann an.
BEACHTEN SIE MEINE BEHINDERUNGEN NICHT. ICH VERFÜGE ÜBER EINE SPRACHUNTERSTÜTZUNG.
»Ein Kehlkopfmikrofon«, sagte Pookie. »Ein Wahrsager mit einem Kehlkopfmikrofon.«
»Behinderungen?«, sagte Bryan. »Plural?«
ICH LEIDE AUCH UNTER EINER ABGESCHWÄCHTEN FORM VON KOPROLALIE.
Bryan und Pookie tauschten
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