Die Verborgenen
Vertiefungen in Oscars zerfetztem Schulterblatt. »Die Abdrücke stammen anscheinend von Schneidezähnen, die neun Zentimeter voneinander entfernt sind. Der durchschnittliche Abstand bei einem erwachsenen Menschen beträgt zweieinhalb bis allenfalls fünf Zentimeter.«
Pookie sah auf. »Aber die Abdrücke stammen nicht von einem Menschen. Jimmy und Sammy haben gesagt, dass ein Hund dafür verantwortlich ist. Sie haben überall am Tatort Hundefell gefunden.«
Damit war der Augenblick gekommen, an dem Robin es aussprechen musste. Sie fragte sich, ob es genauso verrückt klingen würde, wenn sie es laut sagte, wie es sich in ihrem Kopf anhörte. »Das Fell war kein Fell. Die Haare stammen von einem Menschen. Ich habe so viele Proben untersucht, um überzeugt zu sein, dass überhaupt kein Tier am Tatort war.«
Pookie starrte sie an. Schließlich sah er wieder zu der Leiche. »Ein Mensch hat das getan?«
Robin holte tief Luft und atmete dann mit einem leisen Seufzen aus. »Ja. Genau das will ich damit sagen.«
»Der Typ müsste verdammt groß sein«, sagte Pookie. »Oder einen wirklich breiten Mund haben.«
»Oder beides«, sagte Bryan.
Pookie nickte. »Oder beides. Wahnsinn. Ich möchte deinen großartigen Intellekt nicht beleidigen, Bo-Bobbin, aber das nehme ich dir nicht ab. Du behauptest, der Killer ist groß, hat weit auseinanderstehende Schneidezähne, verfügt über so viel Kraft, dass er einem Menschen mit seinem Biss den Arm abreißen kann, und trägt ein verdammtes Fell?«
»Stell dir das mal vor«, sagte Bryan. »Da könnte jemand doch glatt behaupten, dass der Typ wie ein Werwolf aussieht.«
Pookie wirkte verstimmt. »Auch große Typen können sich verkleiden, Bri-Bri.«
Ein Schauder lief durch Bryans Körper. Er hustete heftig. Es hörte sich schrecklich an. Schließlich räusperte er sich, hob die Hand über Oscars Schulter und deutete mit Daumen und Zeigefinger den Abstand der parallelen Vertiefungen an. Dann führte Bryan die Hand vor sein eigenes Gesicht. Die Entfernung zwischen seinem Daumen und seinem Zeigefinger entsprach dem Abstand seiner Wangenknochen.
»Eine Verkleidung, bei der große, tödliche Zähne mit dazugehören? Ich bitte dich, Pooks.«
Wollte Bryan ernsthaft behaupten, dass ein Werwolf für die Tat verantwortlich war? Wie hoch war sein Fieber wirklich?
Pookie wandte sich an Robin. »Bist du sicher, dass die Abdrücke von Zähnen stammen? Könnten sie nicht von irgendeiner anderen Waffe herrühren?«
Sie nickte. »Vermutlich schon. Aber es müsste eine Waffe sein, die genauso wie die Kombination von Ober- und Unterkiefer wirkt.«
»Es gibt einen Namen für so eine Waffe«, sagte Pookie. »Sie nennt sich falsche Zähne . Etwas, das gut zu einem Monsterkostüm à la Hollywood passen würde.«
Bryan verdrehte die Augen und lachte. »Jetzt übertreibst du wirklich, Pooks. Außerdem kannst du einem Chromosom kein Kostüm anziehen. Du hast von einem Mutanten mit fleischigem Kopf gesprochen und das als Witz gemeint. Aber vielleicht ist es kein Witz.«
Robin kannte die beiden gut. Bryan war immer stolz darauf gewesen, besonders rational zu sein. Er glaubte nicht an Monster oder übernatürliche Dinge. Die Tatsache, dass sie über dieses Thema stritten, war absolut untypisch für ihn.
»Redet mit mir«, sagte Robin. »Was habt ihr beide gesehen?«
»Nichts«, antworteten Bryan und Pookie gleichzeitig.
So, die beiden würden sich ihr also nicht anvertrauen. Viel leicht waren sie wie Rich Verde der Ansicht, dass Robins Aufgabe darin bestand, Leichen zu untersuchen, und nicht darin, Verbrechen aufzuklären. Sie fragte sich, ob diese geheimen Informationen etwas mit Bryans elendem Aussehen zu tun hatten.
Robin schob Oscar auf seiner Trage zurück in sein Fach und schloss die Tür. Sie ging zurück an ihren Schreibtisch. Bryan und Pookie folgten ihr.
»Genau genommen hat Pookie recht«, sagte sie. »Wir suchen wirklich nach einer Mutation. Der Täter könnte weitere körperliche Deformationen aufweisen. Das kann niemand wissen.«
Sie setzte sich auf ihren Stuhl. Wieder standen die beiden Männer links und rechts neben ihr und betrachteten das merkwürdige Bild eines neuen Chromosoms.
»Hey, Robin«, sagte Bryan. »Warum hat das Zett-Chromosom zwei Gelenkdinger? Das X- und das Y-Chromosom haben nur eins.«
Er deutete auf eine der gelenkartigen Verbindungen zwischen zwei der dickeren Teile des Zett.
»Gelenkdinger?«, sagte sie. »Oh, das ist ein Zentromer. Ein Chromosom kann
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