Die Verborgenen
tun?«
Sie nickte. Hillary starrte den Erstgeborenen mit einer Mischung aus Trotz und Wut an, aber es lag auch ein wenig Furcht in ihrem Blick.
Der Erstgeborene ließ seine Knöchel knacken. Jede seiner Bewegungen zog die angespannten Blicke von Pierre, Sir Voh und Sly auf sich.
»Du hast gesagt, dass er nicht der Erste war, Hillary«, fuhr der Erstgeborene fort. »Machst du das wirklich schon seit achtzig Jahren?«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Du glaubst, du weißt alles, aber du weißt nichts . Elf Könige habe ich direkt unter deinen Augen nach draußen geschmuggelt. Zu einigen habe ich den Kontakt verloren. Vielleicht wurden sie von den Menschen fortgebracht, die sie wie ihre eigenen Kinder bei sich aufgenommen hatten. Andere fand ich erst wieder, als es zu spät war und die entscheidende Phase, in der aus ihnen noch wahre Könige hätte werden können, bereits vorüber war.«
Der Erstgeborene beugte sich zu Hillary. Rex hörte, wie die Schrotflinte leise knackte, als Pierres Hände sich ein wenig anders um die Waffe schlossen.
»Aber wie? «, sagte der Erstgeborene. »Wie hast du es geschafft, sie nach draußen zu bringen? Wie war es möglich, dass ich nie etwas davon erfahren habe?«
»Ich habe meine Geheimnisse«, sagte Hillary. »Geheimnisse, die ich nicht preisgeben werde. Ohne neue Könige können wir keine neuen Königinnen bekommen. Unsere Leute wissen das, Erstgeborener, und sie hassen dich, weil du versucht hast, den natürlichen Gang der Dinge aufzuhalten.«
Seine Faust krachte heftig auf den schwarzen Tisch. »Du hast mit eigenen Augen den Tod gesehen, den ein König bringt. Wir brauchen keine neuen Königinnen. Es geht uns gut hier.«
»Gut?«, knurrte Hillary. Sie breitete die Arme aus. Die Geste bezog sich eindeutig nicht nur auf das Schiff, sondern schloss alle Höhlen mit ein. »Im Leben gibt es noch mehr als das hier . Selbst wenn wir eine neue Königin bekommen, wird sie sich nie verwandeln, solange sie Mamas Geruch riechen wird. Wenn unsere Art sich ausbreiten soll, müssen wir Könige und Königinnen in neue Städte schicken. Das ist der Grund, warum ich Rex weggebracht habe. Das ist der Grund, warum ich dafür gesorgt habe, dass Krieger ihn im Auge behielten, während er heranwuchs.« Sie wandte sich wieder Rex zu. Ihr warmes Lächeln kehrte zurück. »Wenn wir zu lange gewartet hätten, hättest du nicht mehr die Macht besessen, andere zu dir zu rufen und sie an dich zu binden .«
Die Macht, andere zu rufen. Vor seinem Kampf mit Alex Panos hatte Rex genau das getan. »Meine Träume. Waren meine Träume auch ein Mittel, andere herbeizurufen?«
Hillary nickte. »Ja. Ein König muss die Gerüche in sich aufnehmen, solange er noch jung ist. Wenn du vierzehn oder fünfzehn Jahre alt geworden wärst, ohne dich zu verändern, hättest du die Fähigkeit, andere zu rufen, für immer verloren.«
Vierzehn oder fünfzehn war also schon zu spät. Vielleicht hatte es mit der Pubertät zu tun. Stand etwas Wissenschaftliches dahinter, oder handelte es sich um eine Art Magie?
»Aber wie funktioniert es?«, sagte er. »Was verändert mich? Und woher weißt du, was du tun musst, damit sich jemand wie ich verändert?«
Hillary faltete die Hände vor der Brust. »Es geschieht, weil es Gottes Wille ist. So war es schon immer. Ich weiß, wie ich dafür sorgen kann, dass jemand sich verändert, weil Mama es mir erzählt hat, als ich noch klein war. Damals, als ihre Worte noch einen Sinn ergaben.«
Gott tat das? Rex hatte viele wunderbare Dinge gesehen, aber er war nicht sicher, ob Gottes Wille alles erklären konnte. Konnte es sein, dass die Mitglieder seines Volkes wirklich nicht wussten, warum sie so stark waren oder wie es kam, dass sie sich veränderten? Doch darüber würde er später nachdenken; jetzt war es wichtig, herauszufinden, ob man dem Erstgeborenen trauen konnte.
»Erstgeborener«, sagte Rex, »was hast du damit gemeint, als du vom Tod gesprochen hast, den ein König bringt?«
Sly lehnte sich zurück und verschränkte die Arme, als hätte er diese Geschichte schon so oft gehört, dass sie ihn langweilte. Hillary verstummte.
Der Erstgeborene schloss die Augen. »König Geoffrey wurde nach unserer Ankunft in Amerika geboren. San Francisco war damals noch viel kleiner. Es war ein gesetzloser Ort. Jeden Tag brachten die Schiffe neue Menschen. Ich war damals noch jung. Ich fühlte Geoffreys Träume in meinem Schlaf, ich fühlte seine Visionen, wenn ich wach war.«
Seine Schultern
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