Die Verborgenen
sich zu und holte tief Luft. Dann gab sie die Handynummer ihres Mannes ein.
Schon beim zweiten Klingeln meldete sich jemand, doch es war nicht ihr Mann.
»Hallo, Missus Zou.«
Ein Junge. Er hörte sich an, als wäre er im Teenageralter, oder möglicherweise auch kurz davor.
»Wer ist da?«
»Ich möchte Sie treffen«, sagte der Junge. »Ihre Familie habe ich bereits getroffen.«
Amy schloss die Augen und holte noch einmal tief Luft. Angst steckte ihr wie ein Knoten im Bauch. Amy wusste, wie es war, wenn sie um sich selbst Angst hatte, doch Angst um ihre Kinder zu haben, war unendlich viel schlimmer. Vielleicht war gar nichts passiert. Vielleicht hatte Jack sein Handy verloren, und irgendein Kind hielt das für witzig. Sie musste ruhig bleiben.
»Wie heißt du?«
»Rex.«
Das Gefühl in ihrem Bauch breitete sich bis in ihre Brust und ihre Kehle aus. »Rex … Deprovdechuk?«
»Sie kennen mich bereits«, sagte er. »Wie nett.«
Rex, der Junge, der seine eigene Mutter mit einem Gürtel stranguliert hatte. Der Junge, der irgendetwas mit Maries Kindern zu tun hatte und irgendwie in die Morde an Oscar Woody, Jay Parlar und Bobby Pigeon verwickelt war.
Der Junge, den das gesamte Polizeiaufgebot nicht hatte finden können.
»Rex, hör mir zu. Ich weiß nicht, was du deiner Ansicht nach zu treiben versuchst, aber du musst dich stellen.«
»Ich bin in Ihrem Haus«, sagte er. »Meine Familie ist gekommen, um Ihre Familie zu besuchen. Sie haben ein sehr hübsches Haus, Missus Zou.«
Er war in ihrem Haus? O Gott, was geschah nur? Amy musste die Angelegenheit unter Kontrolle bekommen. Sie musste dem Jungen klarmachen, dass er tief in der Scheiße steckte.
»Ich bin Chief Zou«, sagte Amy. »Die Polizeichefin.«
»Ja, Ma’am. Warum sollte ich sonst wohl mit Ihnen sprechen wollen?«
»Gut«, sagte sie. »Dann weißt du vielleicht auch, wie viel Macht ich habe und wozu ich in der Lage bin, wenn du meiner Familie etwas antust.«
Rex lachte. »Kommen Sie unverzüglich nach Hause, Missus Zou. Rufen Sie keine Verstärkung. Ich habe Leute, die Ihr Viertel überwachen. Wenn wir irgendwelche Polizeifahrzeuge sehen – egal, ob richtige oder zivile –, steckt Ihre Familie in gewaltigen Schwierigkeiten.«
Amys Augen schlossen sich wie von selbst. Sie zwang sich, sie wieder zu öffnen. »Lass mich mit meinem Mann reden.«
»Klar«, sagte Rex. »Einen Augenblick.«
Amy wartete. Das Herz hämmerte ihr in der Brust, und jeder Zentimeter ihres Körpers schien zu brennen und sich zu winden. Wie hatte so etwas nur geschehen können? Wie?
»Baby«, sagte Jack.
» Jack! Die Mädchen …«
»Mit uns ist alles in Ordnung«, sagte er. »Aber … sie werden den Zwillingen wehtun, wenn du nicht machst, was sie sagen. O mein Gott, Amy, diese … Wesen … das sind keine Menschen.«
Bilder des Mannes mit dem Haifischmaul blitzten vor Amys innerem Auge auf. Sie spürte, wie ihr Tränen über das Gesicht liefen.
Der Junge meldete sich wieder. »Zwanzig Minuten, Missus Zou. Dann beginnen wir mit dem Schneiden.«
»Wenn du jemandem weh…«
Ein Klicken am anderen Ende der Verbindung schnitt ihre Drohung ab.
Sie legte das Handy auf den Beifahrersitz. Dann rammte sie den Schlüssel ins Zündschloss, startete den Wagen und schoss aus ihrer Parkbucht.
Keine Pflicht, spricht der Bösewicht
R ex versuchte, sich in einem großen La-Z-Boy-Sessel zu entspannen. Sly sagte, der Sessel würde einem Thron am nächsten kommen, also sollte Rex darin sitzen. Seine Füße reichten nicht ganz bis zur verlängerten Fußstütze; seine Fersen hingen im freien Raum zwischen dem Fußpolster und dem Sesselkissen.
»Dieser Film gefällt mir«, sagte Sly lachend. »Ich habe ihn schon fünfzehnmal gesehen. Nein, sechzehnmal.«
Sie sahen Reservoir Dogs in Chief Amy Zous Fernseher. Rex kannte ihn nicht. Roberta hatte keine Gangsterfilme gemocht. Rex fiel es schwer, sich auf den Film zu konzentrieren, aber es half ihm, sich die Zeit zu vertreiben, bis Chief Zou es nach Hause schaffen würde.
Pierre war im oberen Stock mit dem Vater und den Mädchen. Zunächst war Rex besorgt gewesen, dass Pierre jemanden töten könnte – zu früh töten könnte –, doch Sly hatte ihm versichert, dass Pierre in der Lage war, Befehle zu befolgen.
»Wenn sie doch nur Der Herr der Ringe hätten«, sagte Rex. »Das ist mein Lieblingsfilm.«
Im Fernseher tanzte Mr. Blonde einen langsamen Schieber über den Bildschirm, das aufgeklappte Rasiermesser in der Hand, während der
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