Die Verborgenen
muss, der ihm nahesteht.«
»Ihm nahe stand .«
Pookie nahm schnell einen Schluck, um nicht loszulachen.
»Das war gut«, antwortete er. »Wenn ich sage, dass ich dir das glaube, wirst du dann auch versuchen, mir eine Brücke zu verkaufen? Na komm schon, ihr beide macht euch was vor.«
»Pookie, ich brauche keinen Vortrag über …«
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich versuche nicht, den Heiratsvermittler zu spielen. Aber bitte, tu mir den Gefallen und beantworte meine Frage. Glaubst du, dass Bryan in der Lage wäre, jemanden aus Rache anzugreifen? Oder vielleicht sogar ohne überhaupt provoziert worden zu sein?«
Er wartete. Das Bier schmeckte nach nichts.
»Ja«, flüsterte sie. »Ja, das halte ich für möglich.«
Er hatte gewusst, wie sie antworten würde, weil er selbst schon zu diesem Schluss gekommen war. Aber zu glauben, dass Bryan in der Lage wäre, so etwas zu tun, hieß noch nicht, dass er es auch tatsächlich getan hatte.
Pookie würde sich nicht von seinem besten Freund abwenden.
»Danke, Bo-Bobbin.«
»Keine Ursache. Kümmere dich um ihn, Pookie.«
»Das versuche ich, Schätzchen, das versuche ich. Gute Nacht.«
Er beendete die Verbindung.
Bitte, Gott, lass nicht zu, dass ich mich in ihm täusche .
Mr. Sandmann …
D ieser Junge war nicht so dumm wie der andere. Er sah sich ständig um, hielt sich im Schatten und versuchte, allen Lichtern auszuweichen.
Ein Mutterleib.
Bryan sah hinab auf den Jungen. Er wirkte so winzig, wie eine kleine Maus. Auch wenn aus dieser Höhe jeder klein aussah. Der Junge hatte ein dünnes rotes Ziegenbärtchen. Er trug eine dunkelrote Jacke mit goldenem Besatz. Die Kapuze seines weißen Sweatshirts hatte er halb über die dunkelrote Baseballkappe gezogen, auf der in Goldbuchstaben die Initialen BC standen.
Die Farben hoben ihn hervor. Hoben ihn hervor als jemanden, der andere quälte und folterte.
Die Farben hoben ihn hervor als jemanden, der sterben würde.
Bryan fühlte die Hitze, spürte die Woge der Leidenschaft für die Jagd, die sogar mächtiger war als der Wille zu leben. Der Junge war bereits auf der Flucht. Er wusste, dass jemand seine Spur aufgenommen hatte. Das machte ihn zu einer umso gefährlicheren Beute.
Der Junge sah auf, jedoch nicht in Bryans Richtung. Er drehte den Kopf hierhin und dorthin, musterte jedes Fenster, jeden Hauseingang und sogar jedes Dach. Sein Kopf war ständig in Bewegung. Der Junge kannte seine Umgebung. Das hier war sein Reich.
Die ganze Stadt ist UNSER Reich, Arschloch.
Bryan verhielt sich vollkommen ruhig. Er ließ die Beute ihre Energie verschwenden. Bryans Seele kribbelte. Sein Geist trieb in dem Bewusstsein dahin, dass das Leben genau so gelebt werden sollte.
Dazu war er auf der Welt.
Der Junge ging auf der Geary in Richtung Westen. Er überquerte die Hyde und näherte sich der Larkin. Bryan zog sich zurück. Er verschwand wie ein Schatten, sodass niemand auf der Straße ihn sehen konnte. Dann zog er die Decke eng um seinen Körper und sprang. Lautlos wie der Wind schwebte er vom Dach eines Parkhauses auf das geteerte Flachdach der Ha-Ra-Bar. Dort hielt Bryan regungslos inne. Sein Blick huschte über das Dach und die anderen Gebäude auf der Suche nach einer Bewegung, nach irgendeinem Hinweis auf das Monster.
Er konnte nichts entdecken, und das machte ihn glücklich.
Mit so wenigen Bewegungen wie möglich beugte sich Bryan über die niedrige Backsteinmauer und sah auf die Straße sechs Meter unter sich hinab.
Die Beute direkt vor Augen.
Ein Mutterleib, du beschissener Schläger.
Es waren nur noch sehr wenige Menschen unterwegs, doch die Jagd war trotzdem schwierig. Der Junge war nicht weit von der Van Ness entfernt. Sogar in den Stunden vor Anbruch der Dämmerung war so viel Verkehr auf der Straße, dass man die Beute nicht einfach packen und in den Schatten oder hinauf auf ein Dach ziehen konnte. Wenn der Junge die Van Ness erreichte, blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten und weiter Ausschau zu halten.
»Er ist gerissen«, sagte die Sandpapierstimme rechts neben Bryan.
»Stimmt ganz genau, Schhhchly«, sagte Bryan.
Bryan drehte sich um – und sah einen Albtraum. Ein kräftiger Mann mit einer schweren, dunklen Decke, die ihm über Kopf und Schultern hing. Die Decke hüllte ihn ein, aber nicht ganz . Schwaches Licht fiel auf ein grünes Gesicht mit spitzer Schnauze und gelben Augen, die voller Erwartung zusammengekniffen waren. Der kräftige Mann lächelte, sodass man seine
Weitere Kostenlose Bücher