Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
verfügen.
Als sie und Lambert sich nun dem halb verfallenen Holzhaus näherten, fühlte Katja sich in eine andere Zeit versetzt. Rechts und links der Einfahrt standen hohe Palmen in einem verwilderten Garten. Abgeworfene Palmwedel lagen bräunlich verfärbt kreuz und quer auf dem Grundstück. Riesige Spinnennetze glänzten im nachmittäglichen Licht, wo die verrottenden Zweige einen neuen Lebensraum für die Krabbeltiere geschaffen hatten. Das große einstöckige Haus lag auf einer Anhöhe, umgeben von prächtiger Vegetation und einer umlaufenden Terrasse. In die hohen Verandapfosten waren kunstvolle Muster geschnitzt, die trotz des Verfalls noch gut erkennbar waren. Der ursprüngliche Anstrich war nahezu gänzlich abgeblättert. Nur an einigen Stellen konnte Katja noch gelbliche Farbflecke ausmachen, die lose auf dem morschen Holz hafteten. Die Fensterlaibungen und der Sturz lagen tief und wurden wiederum von Schnitzereien umfasst, die auf Katja wunderbar exotisch wirkten. War das die Kunst der Samoaner, die Phebe als Erbe von ihrer Südseeinsel Samoa nach Papua mitgebracht hatte, oder war dies das Werk der einheimischen Papua?
Ein Schild untersagte Unbefugten den Zutritt zum Haus. Haustür und Fenster waren vor langer Zeit notdürftig mit Holzlatten vernagelt worden. Katja ärgerte sich, dass sie vergessen hatte, ihren Vater nach dem Verwalter zu fragen. Jetzt war sie ohne Schlüssel hier und konnte sich das Haus nicht von innen ansehen. Der äußere Zustand war jedenfalls bedenklich. Sie würde schon eine Menge Zeit und Geld investieren müssen, um das marode Holzhaus wetterfest zu machen. Dennoch: Die Lage am Rand des Dschungels mit Blick aufs Meer hatte es Katja angetan. Einen schöneren Ort konnte sie sich kaum vorstellen. Insgeheim sah sie sich schon nach einem langen Arbeitstag auf der großzügigen Veranda sitzen und zusehen, wie die Sonne im Meer versank.
Sie versuchte, durch ein Fenster in das Haus hineinzuschauen, doch die Ritzen zwischen den vorgenagelten Balken waren zu schmal, um etwas erkennen zu können. Sie wollte unbedingt ins Haus, denn ob sie Kuradui renovieren konnte oder nicht, war zum großen Teil davon abhängig, wie es drinnen aussah.
Katja ging um das Gebäude herum, Lambert folgte ihr. Vor einem der Fenster hing eine Latte lose herab. Katja entfernte sie problemlos und kletterte über den Sims ins Haus hinein.
»Hey, was machen Sie denn da?«
»Jetzt haben Sie sich mal nicht so. Das ist das Haus meines Vaters.« Lambert zögerte. »Na, kommen Sie schon!« Lambert stieg ebenfalls über das Fensterbrett.
Etwas huschte dicht an Katja vorüber, sie unterdrückte einen Schrei, wich aber unwillkürlich einen Schritt zurück. Ratten? Eine Eidechse? Das Innere des Farmhauses bot einen ähnlich verwahrlosten Anblick wie der Garten und die Veranda. Doch ein alter Tropenholztisch auf drei Beinen zeugte von ehemaliger Grandezza, genau wie die goldgrüne Stofftapete, die an einigen Stellen in Fetzen von den Wänden hing. Katja zog an einer Ecke, und ein breiter Streifen löste sich. Sie ließ ihn fallen und steckte die Hände in die Taschen, während sie den Raum durchwanderte. An einem alten Flügel blieb sie stehen, berührte die Tasten. Lohnte sich ein Engagement für dieses Haus? Katja kannte sich gut genug, um zu wissen, dass sie die Sache nicht halbherzig angehen würde, sobald sie sich einmal dazu entschlossen hatte. Die Frage war also, ob sie sich mit ihrer Begeisterung für diesen Ort nicht in etwas verrannte, das sie früher oder später bereuen würde. Ein verstimmter Ton entrang sich dem Instrument. Sie ging weiter zum Kamin am anderen Ende des Raumes. Sie drehte sich zu Lambert um, der begonnen hatte, auf dem Instrument herumzuklimpern.
»Was soll denn der Kamin hier? Wir sind doch in den Tropen«, fragte sie.
Lambert zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich gehörte er in bestimmten Schichten einfach zur Grundausstattung. Genau wie dieser Bechstein.« Er sah sie fragend an. »Na, wie gefällt Ihnen Kuradui?«
»Ich weiß noch nicht, ich muss es mir erst noch etwas genauer anschauen.« Neugierig, aber auch nachdenklich schlenderte sie durch die angrenzenden Zimmer, die vom Hauptraum abgingen, und sah sich um. Lambert folgte ihr. In jedem der fünf kleineren Zimmer sah es ähnlich trostlos aus. Unter allerlei Schutt verbargen sich morsche Holzdielen, so dass sie aufpassen mussten, wohin sie traten. Sie fanden Löcher in der Wand und schwarzen Schimmel in den
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