Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
geflogen. Von dort aus hatte sie mit dem Leihwagen fast fünf Stunden bis zur Cradle Mountain Lodge gebraucht, die ihr Rolf als Ausgangspunkt für ihre traurige Expedition ans Herz gelegt hatte. Von dort aus war die Film-Crew damals zu ihrem letzten Flug aufgebrochen.
Die Autofahrt hatte Katja durch Orte mit so wohlklingenden Namen wie Zeehan, Roseberry und Tullah geführt. Im Gegensatz zum Norden Queenslands war es auf Tasmanien eiskalt. Im künstlichen Kamin brannte ein Gasfeuer, dessen bläuliche Flammen ein falsches Holzscheit umzüngelten. Katja verschränkte die Arme hinterm Kopf und schloss für einen Moment die Augen. Würde sie das durchstehen? Die intensiven Wochen in Papua-Neuguinea hatten sie von Michael abgelenkt, und das hatte ihr gutgetan, wie sie sich eingestehen musste. Gleichzeitig meldete sich wieder ihr schlechtes Gewissen. Brauchte es tatsächlich nur Zeit und ein wenig Ablenkung, um zu vergessen? Wollte und durfte sie das?
Das Telefon auf dem Nachttisch klingelte, und sie zuckte zusammen.
»Katja? Der Ranger ist jetzt da. Er wartet in der Vorhalle.«
Dass einen in Australien selbst das Hotelpersonal duzte, fand sie gewöhnungsbedürftig. Im gleichen Moment schalt sie sich für diesen überheblichen Gedanken und richtete sich auf. »Danke.«
Die Hand des drahtigen Kerls in Outdoor-Kluft schoss geradewegs auf sie zu. »Brian. Hi!«
Katja wich einen halben Schritt zurück, ergriff dann zögerlich seine Hand.
»Katja, angenehm.«
»Rolf hat mich angerufen. Sie wollen raus zur Unfallstelle?«
»Ja, gleich morgen früh, wenn das möglich ist.«
»Kein Problem. Sie wissen grob Bescheid, ja?«
Katjas Brauen hoben sich. Was meinte er damit? Sicherheitshalber verneinte sie.
»Hat Ihnen Rolf denn nichts gesagt?« Brian sah leicht verärgert aus. Er strich sich mit der Hand über den sehnigen Hals, während er sie von Kopf bis Fuß musterte. Dann seufzte er. »Das ist ein Hike von drei Stunden. Nur was für Geübte.« Sein Blick verweilte auf ihren Oberschenkeln, worüber sich Katja dermaßen ärgerte, dass sie rot anlief. Nur weil sie nicht jeden Tag zehn Kilometer durch die Pampa joggte, waren ihre Beine noch lange nicht aus der Form. Sah sie etwa unsportlich aus? Katja riskierte einen Blick an sich hinab. Na ja, vielleicht ein wenig. Verglichen mit diesem Goliath hier auf jeden Fall, doch der war ja wohl kein Maßstab, und darum ging es jetzt auch überhaupt nicht.
»Ja, und?«, gab sie sich selbstbewusst und kreuzte die Arme vor der Brust. Brian kräuselte die Lippen und hob gleichmütig die Schultern.
»Ich wollte es nur gesagt haben. Gute Wanderschuhe haben Sie dann ja sicherlich mitgebracht.« Hatte sie nicht, aber die Berge Tasmaniens waren nicht gerade die Alpen, und was war nicht in Ordnung mit ihren Turnschuhen? Brian besprach mit ihr in aller Kürze den morgigen Tag. »Ich hole Sie Punkt fünf Uhr dreißig ab. Bestellen Sie sich von der Küche das große Tour-Paket, und vergessen Sie nicht Ihre Wasserflasche! Bis dann.«
Der Dove Canyon Track führte sie erst an einem Fluss entlang, bevor er in den Regenwald abbog. Die Umgebung war geprägt von Berggipfeln, Tälern, Schluchten und Mooren. Nahe des Graslandes um einen kleinen See begegneten sie ein paar Wallabys, zahlreiche Wildvögel flogen über die ursprüngliche Landschaft hinweg. Mit ein wenig Glück könne man sogar das seltene Schnabeltier beim Planschen im Fluss entdecken, meinte Brian.
Schließlich führte sie ihr Weg durch den Regenwald. »Gemäßigter Regenwald, kein tropischer«, wie Brian erklärte, obwohl sich diese Tatsache bei den kühlen Temperaturen eigentlich von selbst verstand. Katja fand die ungeheuerlich großen Bäumen und Farne, die aussahen, als wären sie tausend Jahre alt, mehr als beeindruckend. Überhaupt schien dies eine Region voller seltsamer Pflanzen zu sein, die ihr Brian bereitwillig erklärte, wie zum Beispiel die sechs Meter hohen Pandani, die aussahen wie dicke Palmen, aber zu Katjas Überraschung Verwandte unserer Erika sein sollten. Es gab auch sogenannte Scheinbuchen, die einzigen laubabwerfenden Bäume Australiens, und außerdem Pinien, die eigentlich Zypressen waren. Die Landschaft mochte auf den ersten Blick zwar an die deutsche Alpenregion erinnern, doch bei näherer Betrachtung erwies sich dieser Eindruck als trügerisch.
Katja schaute auf die Uhr. Schon über eine Stunde unterwegs, und sie war noch kein bisschen ermüdet. Sie empfand eine gewisse Genugtuung. Brian hatte eindeutig
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