Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Michael. Die Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit ging ihr nicht verloren, aber von nun an, das spürte Katja überdeutlich, würde sich die Vergangenheit anders anfühlen. Nicht mehr wie ein Pfeil, der sich jedes Mal in ihr Herz bohrte, wenn sie an Michael dachte. Nicht mehr wie ein Gift, das sie betäubte, bis sie innerlich ganz kalt wurde. Eher wie ein wehmütiger Gedanke, ein leiser Schmerz, unter dem sie lächeln konnte und der für immer zu ihr gehören würde. Sie blickte auf den See hinaus, dessen Oberfläche sich zu kräuseln begann. Wind war aufgekommen, kühlte ihre heißen Wangen. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und stand auf, um nach Brian zu sehen. Sie war bereit zu gehen.
Zurück in der Lodge, bedankte sie sich herzlich bei Brian, der es entschieden ablehnte, Geld von ihr anzunehmen. »Ehrensache«, beteuerte er und sah fast ein bisschen beleidigt aus. Als er gegangen war, wollte Katja nur noch auf ihr Zimmer. Sie war hundemüde und wartete an der Rezeption auf ihren Schlüssel.
»Irgendwelche Nachrichten für mich?«
»Ein Anruf von einem Herrn Lambert. Er will sich wieder melden. Es sei aber nichts Dringendes.« Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf. Ihr Handy hatte keinen Empfang, und Lambert musste sich ganz schön ins Zeug gelegt haben, um herauszufinden, wo sie in Tasmanien logierte, denn das hatte sie ihm nicht verraten. Ein Gefühl von Schuld stach ihr kurz ins Herz. Wie konnte sie sich über Lamberts Anruf freuen? An dem Ort, wo sie Michaels letzten Sekunden nachgespürt hatte.
»Danke.« Katja nahm den Schlüssel und wandte sich zum Gehen, als der junge Mann sie erneut ansprach.
»Entschuldigen Sie meine Frage, aber sind Sie nicht die Witwe des Kameramanns, der hier vor einigen Jahren verunglückt ist?«
Wie ertappt hielt sie inne. »Ja. Wieso?«
Der Rezeptionist richtete sich die Krawatte und hüstelte in seine Faust. »Es ist schon eine Weile her. Trotzdem: Herzliches Beileid.« Katja nickte. »Ich frage deshalb, weil dies hier in seinem Zimmer aufgetaucht ist.« Er hob einen schmalen Kulturbeutel hoch und reichte ihn ihr über den Tresen. »Sehen Sie? Seine Initialen. Den haben wir erst gefunden, als die Ermittlungen bereits abgeschlossen waren. Ich hab ihn dann an die von ihrem Mann angegebene Adresse geschickt, doch das Päckchen kam wieder zurück. Adressat unbekannt. Tja, und da haben wir den Beutel aufgehoben. In der Hoffnung, dass einmal jemand käme, der Ihren Mann gekannt hat. Nochmals: Es tut uns sehr leid.« Er reichte ihr den karierten Stoffbeutel, und wie mechanisch griff sie danach.
»Ich verstehe nicht. Wie kann das denn sein?« Ungläubig betrachtete sie die Tasche. »Wieso ist mir das nicht mit den anderen Sachen meines Mannes zugeschickt worden?« Der Hotelangestellte wechselte unruhig von einem Bein auf das andere.
»Das ist uns auch sehr unangenehm. Es war wohl so, dass der Kulturbeutel hinter die Heizung gerutscht sein muss, wo man ihn erst gefunden hat, als die Heizkörper routinemäßig überprüft wurden.«
Katja nickte wie betäubt und löste sich allmählich aus ihrer Starre. »Muss ich irgendetwas unterschreiben? Den Erhalt bestätigen?«
»Nein, natürlich nicht. Ihr Aufenthalt bei uns geht im Übrigen selbstverständlich auf unsere Kosten. Ich bitte im Namen unseres Hauses nochmals um Entschuldigung.«
Katja ging auf ihr Zimmer und setzte sich aufs Bett, den Kulturbeutel auf dem Schoß. Natürlich war das Päckchen zurückgekommen. Michael hatte sich immer einen Spaß daraus gemacht, fürs Anmeldeformular im Hotel Adressen zu erfinden, weil er keine Lust hatte, mit Werbung zugemüllt zu werden. Um das Reisegepäck hatte sich die Produktionsfirma gekümmert.
Sie zog den Reißverschluss auf. Zu ihrer Überraschung fand sich weder Zahnbürste noch Kamm darin. Katja hielt die Luft an. Seine geliebte Fujifilm-Kompaktkamera! Katja war davon ausgegangen, dass er sie beim Unfall in der Hosentasche gehabt haben musste, weil er sie immer mit sich führte und sie nicht bei seinen Sachen gewesen war. Wieso steckte sie in diesem billigen Kulturbeutel, den sie noch nie gesehen hatte und der eigentlich überhaupt nicht zu Michael passte?
Mit fahrigen Bewegungen nahm sie die handliche Digitalkamera heraus. Sie öffnete die Kammer an der unteren Schmalseite und fummelte den Chip heraus. Als sie ihn endlich in der Hand hielt, sprang sie auf und fuhr ihren Laptop hoch, der auf dem Schreibtisch stand. Während sie wartete, begann sie so heftig zu zittern,
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