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Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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übertrieben, was den Schwierigkeitsgrad des Tracks anbelangte. Die Freude über die Leichtigkeit der Strecke und die Schönheit der Natur vertrieben ein wenig von der klammen Angst, die sich seit dem frühen Morgen wie ein glitschiges Tier in ihren Eingeweiden breitgemacht hatte. Bald würde sie sehen, wo Michael gestorben war. Hatte er noch Zeit gehabt, um einen Gedanken zu fassen, oder waren die Explosion im Hubschrauber und der Tod der Insassen nahezu eins gewesen? Ein letzter Atemzug, Gedankensplitter?
    Katja begann zu frieren und knöpfte sich die Jacke bis zum Hals zu. Der Wind blies eisig vom Hügel herab, als sie aus dem Wald traten und Katja die schroffen Felswände vor sich sah. Ein winziger Pfad führte gefährlich steil hinauf. Brian drehte sich nach ihr um. Sie schluckte und nickte. Das hatte er also mit »nur für Geübte« gemeint.
    »In die Wand lehnen und ordentlich Hände und Arme einsetzen, okay?«
    »Okay«, sagte sie mit dünner Stimme und folgte ihm verkrampft und mit deutlichem Abstand auf dem Weg zur Spitze des Dove Canyon.
    Oben angekommen, ließ sie sich rücklings aufs Plateau fallen und schnappte keuchend nach Luft. Ein paarmal wäre sie fast ausgerutscht. Feuchtes Moos und glitschige Steine gingen nicht gut mit ihren Turnschuhen zusammen, und schon gar nicht mit ihren Kletterkünsten. Hätte Brian sie nicht auf halber Höhe zu sich hochgezogen und vorkraxeln lassen, um sie im Notfall halten zu können, sie wusste nicht, wie diese Kletterpartie ausgegangen wäre. Doch jetzt hatte sie es geschafft. Brian reichte ihr die Hand. Sie nahm die Hilfe an und stand auf, noch immer nach Atem ringend.
    »Da wären wir.« Seine Geste umfasste das Panorama, das sich jenseits des Berghangs vor ihnen ausbreitete. Katja stemmte die Hände in die Hüften und sog die klare Sicht auf das Valley und den Cradle Mountain in sich ein. Eine Berglandschaft, die ihr bekannt und zugleich völlig fremd vorkam. Nach dem Unglück hatte sie sich ein paar Bilder vom Unfallort angesehen und ungefähr ein Jahr danach auch einen Fernsehbericht, den eine Freundin für sie aufgenommen hatte, für den Zeitpunkt, an dem sie dazu bereit wäre. Der Reporter musste ungefähr hier gestanden haben, wo sie jetzt ins Tal hinunterschaute, überlegte Katja. Sie schluckte und drehte sich langsam um. Sie wusste, was sie nun erwartete. Brian hatte auf sie gewartet und deutete auf eine kaum bewachsene Stelle auf dem Plateau.
    »Hier ist es. Aus ungeklärten Gründen ist der Heli mit hoher Geschwindigkeit in diese Felswand gestürzt und sofort explodiert. Außer dem Motor hat man praktisch nichts mehr gefunden.« Katja fasste instinktiv nach dem Ring an der Kette, drehte ihn und befühlte zärtlich die Delle. Für immer. Wieder kam es ihr wie ein Wunder vor, dass man Michaels Ehering gefunden hatte. »Zu sehen ist nichts mehr. Die größeren Wrackteile hat man geborgen, und den Rest hat die Natur besorgt.« Er machte eine Pause. »Wenn Sie im Moment keine Fragen haben, lasse ich Sie einen Augenblick allein.« Er deutete mit dem Kinn zu einer Felsgruppe, die rechts von ihm lag. »Sie finden mich dahinten, wenn Sie zur Rückkehr bereit sind.«
    »Danke, Brian.« Er nickte ihr zu, wandte sich um und ging. Katja schritt die Unglücksstelle ab. Sie kniete sich hin, fasste in eines der spärlich wachsenden Grasbüschel, strich mit der Hand über den nackten Felsen. Dann stand sie auf und schaute zum Cradle Mountain hinüber, zu dessen Füßen der spiegelglatte Lake St. Clair lag. Michael hatte die Natur geliebt. Je unberührter, desto besser. Dieser Berg, der See. Das waren wohl die letzten Bilder, die er von dieser Welt gesehen hatte. Michaels Freund Rolf hatte ihr oft versichert, dass alles ganz schnell gegangen sein musste, dass Michael fast zeitgleich mit dem Aufprall und der darauffolgenden Explosion den Tod gefunden hatte. Hatte es Zeit für Angst, für Schmerzen gegeben? Keiner konnte ihr eine befriedigende Antwort auf diese Fragen geben.
    Sie setzte sich mit Ausblick über den See auf die Erde und umfasste ihre Beine mit beiden Armen. Plötzlich wurde sie ganz ruhig, als hätte sie unverhofft eine Art inneren Frieden gefunden. So ist das also, wenn die Trauer zu einem Ende kommt. Sie fühlte die Worte mehr, als dass sie sie dachte. Tränen stiegen in ihr auf, doch dieses Mal war es nicht der Kummer um Michaels Verlust, der sie zum Weinen brachte. Es war das Wissen um das Ende eines bedeutsamen Abschnitts in ihrem Leben. Auf Wiedersehen,

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